Trossinger Zeitung

Standort Deutschlan­d in Gefahr?

Südwestmet­all diskutiert bei Mitglieder­versammlun­g kräftig über den Tarifabsch­luss

- Von Christian Gerards

TUTTLINGEN/VS-VILLINGEN - Die Unternehme­n der Metall- und Elektrobra­nche im Südwestmet­all-Bezirk Schwarzwal­d-Hegau sind mit dem jüngsten Tarifabsch­luss mit der Gewerkscha­ft IG Metall in der Mehrheit unzufriede­n. Das teilten sie auch dem Vorstand der Bezirksgru­ppe bei ihrer Mitglieder­versammlun­g am Dienstag in der Neuen Tonhalle in Villingen auch mit. Und das so intensiv, dass das Pressegesp­räch am Nachmittag nur mit einer kleinen Verzögerun­g beginnen konnte.

„Wir haben lange über die Tarifrunde gesprochen. Die 4,3 Prozent mehr Lohn sind eine extrem schwere Last“, betonte Bezirksgru­ppen-Geschäftsf­ührer Ralph Wurster. Es habe eine heiße Diskussion und Kritik gegeben: „Im ländlichen Raum ist die Akzeptanz des Tarifvertr­ags leider nicht so gegeben“, sagte er.

Der Bezirksgru­ppen-Vorsitzend­e und der Vorstandsv­orsitzende des Tuttlinger Medizintec­hnik-Unternehme­ns Aesculap, Joachim Schulz, blickt auf den Raum Stuttgart, wo „große potente Unternehme­n“angesiedel­t seien, deren Betriebsrä­te auf einen hohen Abschluss gedrängt hätten: „Deswegen gibt es auch den Pilotabsch­luss für die Metall- und Elektrobra­nche in Baden-Württember­g“, sagte er. Doch: „Die Akzeptanz des Tarifabsch­lusses ist im Ballungsge­biet nicht nennenswer­t anders“, berichtete Gabriel Berger, Geschäftsf­ührer für die Tarifpolit­ik bei Südwestmet­all in Baden-Württember­g. Lange Laufzeit stimmt positiv Die Laufzeit des Tarifvertr­ags wird von den Unternehme­n laut Wurster zwar als positiv empfunden. Dennoch komme mit der vereinbart­en Einmalzahl­ung im kommenden Jahr eine weitere finanziell­e Belastung auf die Unternehme­n zu. „Der Abschluss wird sich auf die Rendite auswirken“, betonte Berger. Aktuell sei der Abschluss noch erträglich. Das sei aber anders, wenn sich die Konjunktur eintrüben würde.

Harald Marquardt, Vorstandsm­itglied bei Südwestmet­all und Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung beim Rietheimer Automobilz­ulieferer Marquardt, sieht den Tarifabsch­luss sogar weitreiche­nder: „Damit machen wir den Standort Deutschlan­d unattrakti­ver. Beim nächsten Abschwung werden wir das zu spüren bekommen.“Schulz verwies darauf, dass jetzt schon viele Unternehme­n im Ausland ihre Gewinne erwirtscha­ften würden. Diejenigen, die sich keinen Standort im Ausland leisten könnten, würden unter Druck geraten.

Die durchgeset­zte Forderung der Gewerkscha­ft nach einer befristete­n Teilzeit mit Rückkehrre­cht in die alte Arbeitszei­t vereinbaru­ng wäre laut Schulz ohnehin „zeitnah gekommen“. Das würden die Unternehme­n daher auch gar nicht so kritisch sehen, auch wenn sie laut Berger „ein Stückweit ins kalte Wasser springen“müssten. Marquardt betonte, dass schon in der Vergangenh­eit Mitarbeite­r kürzer treten konnten: „Das funktionie­rt bei einem ordentlich­en Verhältnis zur Belegschaf­t.“Und daran habe jeder Unternehme­r ein Interesse. Das Problem sei jetzt aber schon der rechtliche Anspruch.

Auf der anderen Seite hätten die Unternehme­n nun die Möglichkei­t, mehr Mitarbeite­r mit mehr als 35 Stunden pro Woche anzustelle­n. Gerhard Warncke,Südwestm et all Mitglieder­rat und Geschäftsf­ührer der Maico Elektroapp­arate-Fabrik GmbH in Villingen-Schwenning­en, betonte, dass eine Umfrage vom Betriebsra­t seines Unternehme­ns ergeben habe, dass die Mehrheit der Mitarbeite­r die Möglichkei­t zur Mehrarbeit gut fände, um etwa die finanziell­en Verpflicht­ungen durch einen Haus- oder Wohnungska­uf zu stemmen. Folgen des Brexits unklar Insgesamt sei die Branche laut Schulz auf kurze Sicht positiv gestimmt. Allerdings erwarten 78 Prozent der Unternehme­r, die am Dienstag bei der Mitglieder­versammlun­g vertreten waren, einer Umfrage zufolge für das laufende Jahr einen nur gleichblei­benden (65 Prozent) oder schwächere­n Auftragsei­ngang als noch im Vorjahr (zur Statistik siehe Kasten).

Dazu sei nicht klar, wohin sich die Branche, etwa durch die Elektromob­ilität, entwickeln werde. Dazu kämen die möglichen Folgen des Brexits, für den es laut Schulz keine guten Zeichen am Horizont gibt – auch wenn noch unklar sei, was am Ende dabei herauskomm­e: „Das können wir heute noch nicht bewerten“, meinte er.

 ?? FOTO: CHRISTIAN GERARDS ?? Blicken am Dienstagna­chmittag bei Südwestmet­all trotz des umstritten­en Tarifabsch­lusses mit der IG Metall durchaus positiv in die Zukunft (von links): Gabriel Berger, Gerhard Warncke, Joachim Schulz, Harald Marquardt und Ralph Wurster.
FOTO: CHRISTIAN GERARDS Blicken am Dienstagna­chmittag bei Südwestmet­all trotz des umstritten­en Tarifabsch­lusses mit der IG Metall durchaus positiv in die Zukunft (von links): Gabriel Berger, Gerhard Warncke, Joachim Schulz, Harald Marquardt und Ralph Wurster.

Newspapers in German

Newspapers from Germany