„Singen Sie la-la-la – aber singen Sie“
Selbst krankheitsbedingt geschrumpfter Gospelchor „Almost Heaven“reißt Zuhörer mit
SPAICHINGEN – Gospelsingen ist in. „Mit dem Groove gemeinschaftlich in die spirituelle Welt der Gospelmusik eintauchen“, wie sich der Chor selbst beschreibt, dafür begeistern sich immer mehr Sängerinnen und Sänger. Und dass sie viele Zuhörer zu ihren Konzerten anziehen, hat das Gospelkonzert des Friedrichshafener Chores „Almost Heaven“in der Evangelischen Kirche am Sonntagabend bewiesen: Das kleine Gotteshaus war voll mit Fans, die zum Teil von weit her angereist waren.
Kirchenmusikdirektor Sönke Wittnebel, der den Chor vor 20 Jahren als Jugendchor mit 17 jungen Leuten gegründet hat, musste sich gleich zu Beginn beim Publikum entschuldigen. Von seinen inzwischen weit über 40 Chormitgliedern hatten sich so viele überraschend krank gemeldet, dass er sein Programm total umstellen musste. „Vielstimmige, komplizierte Lieder kann ich mit den restlichen 20 nicht bringen – weil von denen auch noch etliche stimmlich angeschlagen sind“, sagte der Chorleiter. „Fast hätte ich alles abgesagt. Aber das konnte ich Ihnen nicht antun.“
Pfarrer Johannes Thiemann freute sich über die gut gefüllte Kirche und feuerte die Stimmung gleich zu Beginn an: „Lassen Sie sich anstecken; es lohnt sich.“
Und schon schwingt sich der quirlige Dirigent an sein E-Piano und webt einen instrumentalen Klangteppich, auf dem seine verbliebenen 13 Sängerinnen und sieben Sänger in den weit geschnittenen roten und blauen Gewändern swingend in den Chorraum einziehen. Mit jugendlichem Schwung – die meisten mit einem Lächeln auf den Lippen – singt das Ensemble das erste von insgesamt 13 Liedern.
Es ist wohltuend, dass keine Notenständer, keine Mikrofone mit dem entsprechenden Kabelgewirr das rot-blaue Ambiente, das auch vom geschickten Lichteinsatz lebt, stört. Alle singen alles auswendig – und das fast nur auf Englisch.
Wittnebel dirigiert nicht nur sein Ensemble, sondern auch das Volk in den Bänken. Schließlich ist es nicht einfach, Zuhörer in das Chorerlebnis mit einzubinden und zum Singen und Mitswingen zu bewegen; Mitklatschen geht noch am leichtesten.
Aber der musikalische Tausendsassa schafft es. „Singen Sie mit, auch wenn sie den Ton nicht genau treffen; singen Sie la-la-la oder da-da-da – aber singen Sie“ruft er den Leuten zu. Und siehe da: Die Strahlkraft des Chores und die Lebensfreude der Sängerinnen und Sänger springt schnell auf das Publikum über. Und aus vielen Zuhörern werden Sänger beziehungsweise rhythmische Klatscher.
Im weiteren Verlauf des Konzertes gelingt es „Almost Heaven“mehr und mehr, die Herzen der Menschen mit ihren schwung- und gehaltvollen Gospels und Spirituals zu erwärmen. Es sind zum einen Gebete, die eher zurückhaltend vorgetragen werden. Aber dann auch tempogeladene Songs, die als Glaubensbekenntnis und Lobpreiskundgebung mit großem Klangvolumen den Kirchenraum füllen.
Ein paar Solistinnen und Solisten aus den Reihen des Chors greifen zum Mikrofon und feuern ihren Chor samt Zuhörer als Vorsänger an. Ab und zu werden Passagen ins Deutsche übersetzt. Begeisterung schwappt über Die weltbekannten Lieder wie „Bridge over Troubled Water“von Simon & Garfunkel oder „Amazing Grace“werden begeistert präsentiert und ebenso begeistert aufgenommen; das Gruppenerlebnis nimmt Mitwirkende und Zuhörer auch in Spaichingen gleichermaßen gefangen; die Begeisterung schwappt über. Die Solisten Julia, Barbara, Willi und Klaus bringen sich mit guten Stimmen ein. Thiemanns Wunsch, sich anstecken zu lassen, geht in Erfüllung.
Immer wieder geben Wittnebel oder Übersetzerin Regina Erklärungen zum Inhalt der Songs. Da ist das bewegende Lied vom Kreuz auf Golgatha „On the Cross of Calvary“, das besinnliche „Carry me over“– ein Lied vom Hinübergleiten in die ewige Herrlichkeit, oder das mitreißende Spiritual „Sit down, Servant“. Während einige Sänger voller Inbrunst mit geschlossenen Augen singen, nehmen andere mit dem singenden Volk Augenkontakt auf – es passt alles.
Für ein hinreißendes Konzerterlebnis gibt’s Ovationen im Stehen und als Zugabe mit den Ohrwürmern „O happy Day“und „Shackles“(Fesseln) noch einmal ein entfesseltes Klangerlebnis für alle.