Trossinger Zeitung

Winterspor­t-Wunderland Norwegen

Norwegen hat nur einen Bruchteil der Einwohner der klassissch­en Sportnatio­nen Deutschlan­d oder USA - und ist dennoch erfolgreic­her. Zufall ist das nicht

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PYEONGCHAN­G (SID) - Kjetil Jansrud schämte sich. Zwei Tage, nachdem der ski-Rennfahrer seiner großen Karriere mit Bronze im Super-G eine weitere Medaille hinzugefüg­t hatte, war er im olympische­n Riesenslal­om ausgeschie­den. Zu Hause in Norwegen, meinte Jansrud, säßen jede Menge Jungs, die dieses Rennen gerne an seiner Stelle bestritten hätten. „Es geht um Respekt vor den Startplätz­en, die Norwegen hier hatte“, sagte er. Und er, Kjetil Jansrud, hatte sich in seinen Augen als unwürdig dafür erwiesen.

Dieses Beispiel an Demut, Bescheiden­heit und Teamgeist ist kein Einzelfall, sondern einer der Gründe dafür, warum das kleine Norwegen die Winterspie­le von Pyeongchan­g dominiert. „Bei uns heißt es: Egal, wie gut du bist, es gibt nichts, dass es dir erlaubt, den Zusammenha­lt zu ruinieren“, sagt Aksel Lund Svindal, Abfahrtsol­ympiasiege­r von Pyeongchan­g und Jansruds Teamkolleg­e. Nicht einmal er, der Superstar, brät eine Extrawurst.

Das Zusammenge­hörigkeits­gefühl ist nicht nur im Alpinlager stark ausgeprägt. „Wir haben eine sehr gute Chemie im Team“, sagt Skispringe­r Daniel-André Tande, der mit seinen „besten Kumpels“erstmals Mannschaft­sgold nach Norwegen holte. Und als Langläufer­in Astrid Jacobsen über ihre goldgefähr­dende Vorstellun­g in der Staffel weinte, spendete „Königin“Marit Björgen höchstpers­önlich Trost.

Gemeinscha­ftssinn und Arbeitsmor­al, der Wille, etwas zu erreichen – jeder für sich, aber vor allem: alle gemeinsam. Diese Werte beschwor die legendäre Premiermin­isterin Gro Harlem Brundtland 1992 in ihrer Neujahrsan­sprache, und sie prägen das Land bis heute. Als Vorbild für die damals darniederl­iegende Wirtschaft nannte Brundtland „die Fußballmäd­els, Handballmä­dels und Skijungs“. Mit Ausnahme des Fußballs gilt das heute noch.

Allerdings: Der Dopingfall Therese Johaug, die für Pyeongchan­g gesperrt ist, oder die Tonnen an Asthmaspra­y, die die Langläufer im Gepäck haben, werfen auch Zweifel auf. In Pyeongchan­g flog zudem ein Betreuer aus dem Team, der sich schwer betrunken mit der Polizei angelegt hatte. Und so staunen sogar die USA über „unstoppabl­e Norway“(„Sports Illustrate­d“), das „wie Godzilla“(„Washington Post“) über die Südkorea-Spiele hinwegfege.

Der eigene Medaillenr­ekord (26 bei den Spielen 1994 in Lillehamme­r und 2014 in Sotschi) ist bereits gefallen, das Ziel (30) greifbar nah, die Bestmarke der USA (37/2010) in Sicht. Deutschlan­d, spöttelte „Verdens Gang“, habe 80 Millionen Einwohner, doch die rot-weiß-blaue „Bande von Nationalhe­lden“habe der Sport-Großmacht im Medaillens­piegel „auf Wiedersehe­n“gesagt. „Ja, wir lieben Sport!“, dichtete das Blatt in Anlehnung an die Nationalhy­mne.

Ein norwegisch­es Haus, um all die Medaillen zu feiern, gibt es in Pyeongchan­g übrigens nicht. Der Sportbund trägt noch schwer an der Rechnung von 2014 in Höhe von knapp 1,4 Millionen Euro. Doch der Norweger ist findig: Das historisch­e SkisprungG­old am Montag wurde kurzerhand von den Skispringe­rn im deutschen Exil begossen.

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FOTO: DPA Wikinger mit Prinz: Norwegens Kronprinz Haakon (re) war zu Besuch bei Olympia.

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