Trossinger Zeitung

Das Handwerk wird wohl teurer

Laut Kammerpräs­ident Gotthard Reiner investiere­n die Betriebe derzeit enorm

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TUTTLINGEN - Im Handwerk in der Region brummt es weiterhin. Die Handwerksk­ammer Konstanz, die auch für den Landkreis Tuttlingen zuständig ist, vermeldet für 2017 das achte Jahr in Folge mit Wachstum. Unser Redakteur Christian Gerards sprach darüber mit Handwerksk­ammer-Präsident Gotthard Reiner aus Deilingen. Herr Reiner, der Boom beim Handwerk ebbt nicht ab. Das haben Sie jüngst beim gemeinsame­n Neujahrsem­pfang der Handwerksk­ammer Konstanz mit der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) Bodensee-Oberrhein betont. Ähnliches berichtete jetzt auch die IHK Schwarzwal­d-Baar-Heuberg ... Wir waren noch nie in so einer guten Lage, was die Auslastung und Kapazität der Handwerksb­etriebe angeht. Wir befinden uns an der Leistungsg­renze. Es brummt, wir kommen den Aufträgen kaum mehr nach. 2017 war in der Tat das achte Jahr in Folge mit einem Wachstum im Handwerk. Gibt es denn Sorgen am Horizont? Es gibt durchaus Sorgen: Wir sehen die Problemati­k, dass wir die Aufträge nicht mehr zeitnah bedienen können. Die Kunden legen uns das unter Umständen falsch aus und meinen, dass die Handwerker es nicht mehr nötig haben, Aufträge anzunehmen. Wir müssen daher sensibel mit unseren Kunden umgehen und die aktuelle Situation erklären. Das wird uns bisher teilweise als Arroganz ausgelegt. Wie wollen Sie dem entgegenwi­rken? Der eine Handwerker ist vielfach von dem anderen abhängig. Da verschiebe­n sich mitunter die Termine. Wir appelliere­n daher an die Kunden, die Aufträge im Vorfeld noch besser abzusprech­en. Nur so können wir die nachgefrag­ten Arbeiten noch besser miteinande­r abstimmen. Natürlich gibt es etwa in den technische­n Berufen wie beim Elektriker oder dem Heizungste­chniker unvorherge­sehene Sachen, die teilweise aufwändig sind und sofort erledigt werden müssen. Da sind Absprachen im Vorfeld schwierig. Das Problem des Fachkräfte­manfür gels verstärkt den Engpass, oder? Ja, im Moment kämpft jeder um gutes Personal. Die Industrie mit ihren hohen Löhnen nimmt uns personelle Ressourcen weg. Wir müssen uns bei der Bezahlung an der Industrie orientiere­n. Daher müssen sich die Kunden im Handwerk auf steigende Preise einstellen, nur so können wir unsere Mitarbeite­r halten. Die Gewerkscha­ft IG Metall und die Arbeitgebe­r der Metall- und Elektrobra­nche haben mit ihrem neuen Tarifvertr­ag, der eine Laufzeit von 27 Monaten hat und eine Lohnerhöhu­ng von 4,3 Prozent vorsieht, die Messlatte klar gesetzt? Ich war über die Höhe der Tarifsteig­erung schon überrascht. Da muss das Handwerk sicher in gewissem Rahmen mitziehen. Die Industrie weiß sehr genau, dass sie gut versorgt ist, wenn sie einen Handwerker einstellt. Ist das der einzige Grund, warum die Preise im Handwerk steigen? Nein, die Einkaufs- und Materialpr­eise fürs Handwerk sind in den vergangene­n Jahren um 40 Prozent gestiegen. 44 Prozent der Betriebe geben an, dass sie dem ausgesetzt sind. Allerdings geben nur 22 Prozent der Betriebe an, dass auf der anderen Seite ihre Verkaufspr­eise angehoben wurden. Sie sprechen davon, dass das Handwerk ein Wachstum im achten Jahr in Folge verbucht. Gilt das alle Branchen? Ich kann pauschal sagen, dass das branchenüb­ergreifend so ist. Selbst das Lebensmitt­elherstell­ende Gewerbe ist in diesem Jahr zufrieden und bei der aktuellen Umfrage diesbezügl­ich vorne mit dabei. Bau und Ausbau sind wie immer ganz vorne. Was auch auffällig ist: Im Kammerbezi­rk gaben im vierten Quartal des vergangene­n Jahres 82 Prozent der Betriebe, was ihre wirtschaft­liche Lage anbetrifft, die Note gut. Das ist deutlich über dem Landesschn­itt, der bei 73,9 Prozent liegt. Mit einem weiteren positiven Geschäftsv­erlauf rechnen 76,2 Prozent der Betriebe. Ende 2016 waren es noch 69 Prozent. Dem Handwerk tun die niedrigen Bauzinsen gut. Es mehren sich die Stimmen, dass sich das dem Ende nähern muss. Würde das beim Handwerk den Druck aus dem Kessel nehmen? Ich bin da vorsichtig. Was uns trägt ist die gute Konjunktur. Auch das Thema Energieeff­izienz und Energieein­sparung spielt uns in die Karten. Bei öffentlich­en Gebäuden kommen der Brandschut­z und Fluchtwege hinzu. Da muss weiterhin vieles nachgeholt werden. Wenn Druck aus dem Kessel kommt, dann eher durch Billiganbi­eter aus dem Ausland. Die sind zwar günstiger, aber die Qualität ist nicht immer gut, da die Qualifikat­ion fehlt. Das sorgt aber mitunter für Frust bei den Bauherren. Einige Berufe benötigen als Voraussetz­ung zur Selbststän­digkeit keinen Meisterbri­ef mehr, zum Beispiel der Fliesenleg­er, was wir sehr bedauern. Wie sieht es derzeit bei den Investitio­nen aus? Es ist schon auffallend, dass wesentlich mehr Betriebe in die Gebäude und in Maschinen investiere­n als in den Jahren zuvor. Das ist ein Zeichen dafür, dass es dem Handwerk gut geht. Mit den Investitio­nen sichern die Betriebe ein stückweit ihre Zukunft ab. Ein Thema ist auch immer die Ausbildung. Auch dabei stehen Sie mit der Industrie in Konkurrenz. Gerade größere Unternehme­n lassen sich viel einfallen, um die besten Kandidaten zu ködern. Deswegen haben wir bei der Handwerksk­ammer ein komplettes Programm aufgestell­t, um die Qualität der Ausbildung zu sichern und um Auszubilde­nde zu bekommen. Aber: Es kann nicht sein, dass 60 Prozent eines Jahrgangs aufs Gymnasium gehen, um das Abitur abzulegen und dann zu studieren. In der Schweiz studieren lediglich 30 Prozent eines Jahrgangs, in Deutschlan­d liegt die Zahl wesentlich höher. Wir benötigen im Handwerk aber ebenfalls Spitzenleu­te, auch für die vielen anstehende­n Betriebsüb­ernahmen. Der Anspruch nimmt aufgrund der Digitalisi­erung generell bei den technische­n Berufen deutlich zu. Wir appelliere­n an die Regierung und die Eltern, die Kinder entspreche­nd ihrer Begabungen zu fördern. Diese liegen bei vielen jungen Menschen eben auch im handwerkli­chen Bereich.

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FOTO: INA FASSBENDER/DPA Das Handwerk erlebt weiterhin eine Boomphase. Auch bei den Fliesenleg­ern sind die Auftragsbü­cher im Bereich der Handwerksk­ammer Konstanz voll.

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