App soll Schulweg sicherer machen
Eine App soll Grundschülern in Ludwigsburg einen sicheren Schulweg ermöglichen
LUDWIGSBURG (tbb) - Eine App für Smartphones soll Autofahrer vor Schulkindern im Straßenverkehr warnen. Bis Mitte des Jahres könnte diese großflächig in Ludwigsburg getestet werden. Daran hält die Stadtverwaltung trotz heftiger Kritik fest. Datenschützer befürchten, dass sensible Informationen nicht ausreichend geschützt werden und fordern eine Grundsatzdiskussion zur Überwachung von Kindern.
LUDWIGSBURG - Eine App soll Autofahrer vor Schulkindern im Straßenverkehr warnen. Diese könnte bereits ab Mitte des Jahres großflächig in Ludwigsburg getestet werden. Daran hält die Stadtverwaltung trotz heftiger Kritik fest, denn die Herstellerfirma der App hat mittlerweile auf Bedenken von Datenschützern reagiert.
Walter Hildebrandt ist Geschäftsführer des Start-ups Coodriver aus Wolfsburg, das die App Schutzranzen entwickelt hat. „Es ist eine digitale Warnweste“, sagt er. Das Prinzip geht so: Kinder benutzen auf ihrem Smartphone eine App oder tragen einen kleinen Sender mit sich. Fährt ein Autofahrer dann in der Umgebung des Kindes schneller als 30 Stundenkilometer, klingelt das Handy des Fahrers oder unterbricht Telefongespräche. Auf diese Weise soll der Autofahrer aufmerksamer werden. Allerdings: Die Autofahrer müssen die App ebenfalls auf ihrem Smartphone installiert haben, sonst tut sich gar nichts. „Wir wollen das Elterntaxi abschaffen und erreichen, dass mehr Kinder zu Fuß in die Schule gehen“, sagt Hildebrandt. In der Zukunft könnte die App außerdem selbstfahrenden Autos eine bessere Umgebungserfassung ermöglichen – so weit zur Theorie.
Im vergangenen Jahr verkündete Geschäftsführer Hildebrandt eine Kooperation mit den Städten Ludwigsburg und Wolfsburg. In Ludwigsburg sollten so viele Kinder und Autofahrer wie möglich das System nutzen und in Wolfsburg dachte der Autobauer Volkswagen daran, seine Bordelektronik mit der App zu verbinden. Doch Datenschützer übten harsche Kritik. So konnten Eltern zum Beispiel ständig den Standort ihres Kindes einsehen und die App tauschte Daten mit Servern von Facebook, Google und Amazon in den USA aus. In der Folge zog sich Volkswagen aus dem Projekt zurück: „Es gibt gerade zu viel Rummel um den Konzern“, sagt Hildebrandt über den Ausstieg des Autobauers.
In Ludwigsburg hält man aber an dem Projekt fest. Die Stadt will noch in diesem Monat Kritiker, Datenschützer und den App-Hersteller an einen Runden Tisch bringen, bestätigt ein Sprecher auf Nachfrage. Hildebrandt selbst hat inzwischen viel Überzeugungsarbeit geleistet. Zu den Vorwürfen, dass seine App mit amerikanischen Servern Daten austauscht, erklärt er ausführlich, dass keine nutzer- oder standortbezogenen Daten ins Ausland gehen würden. Der Austausch sei lediglich für die Stabilität der Software notwendig und Standortdaten würden nicht gespeichert. Außerdem warne die App nur Autofahrer, die schneller als 30 Stundenkilometer unterwegs sind.
Ortungsfunktion abgeschaltet Und die Ortungsfunktion? Die sei ein Wunsch der ersten Eltern gewesen, die das Ganze getestet hatten. Inzwischen sei diese abgeschaltet. Hildebrandt betont, er nehme Hinweise auf Schwachstellen gerne an. Er begrüßt außerdem die Debatte, schließlich sei es durchaus möglich, dass zum Beispiel Facebook die Funktion einfach beim nächsten Update mit anbiete.
Recht geben könnte ihm die Einschätzung von Stefan Brink. Er ist Landesbeauftragter für Datenschutz in Baden-Württemberg und hat sich die App genauer angesehen. „Mehr Verkehrssicherheit darf nicht am Datenschutz scheitern und ich sehe gute Möglichkeiten, die App datenschutzkonform zu nutzen“, sagt er. Brink findet, dass es eine grundsätzlichere Debatte brauche. „Wir müssen eine Diskussion führen, die über den konkreten Fall hinausgeht. „Ich sehe gerade die Gefahr, dass uns die Sicherheitsdebatte entgleitet“, sagt er. Denn während die tatsächlichen Risiken etwa im Verkehr sinken würden, hätten viele Bürger das Gefühl, die Unsicherheit in allen Lebensbereichen nehme zu. „Deswegen müssen wir jetzt diskutieren, was wir wollen und was nicht.“Sonst würden Eltern in fünf Jahren gefragt, warum sie den Standort ihrer Kinder nicht überwachen würden – genau dafür gibt es bereits heute etliche digitale Angebote.
Der Verein Digitalcourage, der sich nach eigenen Angaben für Grundrechte und Datenschutz engagiert, versucht das Projekt zu verhindern. Neben den technischen Bedenken steht für die Aktivisten eine Diskussion über die Überwachung von Kindern im Mittelpunkt. „Es ist falsch, Kinder mit vernetzten Gegenständen zu überwachen“, schreibt die Gruppe dazu auf ihrer Internetseite. Außerdem spiele das Angebot mit den Ängsten von Eltern.
Schutzranzenchef Hildebrandt will die Funktion seiner App in den Vordergrund der Debatte stellen: Mit der Software ließe sich auf einfachste Weise der Schutz von Grundschulkindern erhöhen, ist er überzeugt. Zunächst soll die App von der Datenschutzbeauftragten in Niedersachsen geprüft werden, von dort kommt das Unternehmen Coodriver. Anschließend will die Stadt Ludwigsburg bei den Eltern an den 14 Grundschulen der Stadt für das System werben. Walter Hildebrandt geht davon aus, dass Mitte des Jahres damit begonnen werden kann.