„Homo faber“lockt Schüler ins Theater
Christof Küster inszeniert Frischs Roman als „Drei-Mann-Stück“
TUTTLINGEN - Das Theater Lindenhof ist am Mittwochabend mit Christof Küsters Inszenierung von Max Frischs „Homo faber“zu Gast in der Stadthalle gewesen. Viele Schüler nutzten das Angebot, sich dem Abitur-Sternchenthema von einer anderen Seite zu nähern.
„Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal“, verkündet der technikgläubige „Homo faber“. Doch die Erlebnisse, auf die der Ingenieur Walter Faber in seinem „Bericht“zurückblickt, bringen sein rationales Weltbild zum Einsturz: zufällig trifft er bei der Notlandung seines Flugzeugs auf einen Bruder seines Jugendfreunds Joachim; zufällig erfährt er dabei, dass seine Jugendliebe Hanna Joachim geheiratet hat. Ist es auch Zufall, dass sich Faber auf einer Schiffsreise in Hannas Tochter Sabeth verliebt?
Er ahnt, dass sie seine eigene Tochter sein könnte, doch er beugt seine diesbezüglichen Wahrscheinlichkeitsrechnungen dem Wunsch, mit Sabeth zu schlafen. Auf dem Weg zu Hanna wird Sabeth von einer Schlange gebissen und stürzt daraufhin mit tödlichen Folgen. Die inzestiöse Beziehung wird nach einer Aussprache zwischen Hanna und Faber für beide zur Gewissheit. Angesichts seiner Krebserkrankung lassen die Fragen nach Schicksal und Schuld Faber nicht mehr los.
Christof Küster ist der Spagat gelungen, den Roman für sein Stück kräftig zu kürzen, sich dabei eng an den Originaltext zu halten und gleichzeitig keine Abstriche an die Verständlichkeit zu machen.
Drei Schauspieler stemmen das ganze Stück, gehen nie zwischendurch von der Bühne, bauen ständig die Kulisse um und bedienen die Videokamera. Sebastian Schäfer gibt einen abgeklärten Faber. Alle anderen Rollen übernehmen Cornelius Nieden und Kathrin Kestler, denen allerdings an diesem Abend das letzte Quäntchen an Bühnenpräsenz fehlt, um restlos zu überzeugen. Schnelle Szenenwechsel María Martínez Peñas schlichtes aber spektakuläres Bühnenbild ermöglicht schnelle Szenenwechsel: Ein Paravent aus fünf Metallrahmen mit durchsichtiger Füllung schafft gleichzeitig Räume auf der Bühne und gibt Durchblicke frei. Umgebaut wird er von den Schauspielern selber: zum Flugzeug oder zur Fensterfläche eines Ozeanriesen mit Blick aufs Außendeck – oder auch ins Schiff hinein. Der Paravent wird als unsichtbare, aber unüberwindbare Barriere zwischen Faber und der Welt eingesetzt oder als geschlossenes rundes „Haus“für zeitliche Rückblenden – oder als Krankenhaus, hinter dessen Scheiben Sabeth im Sterben liegt.
Im zweiten, letzten Teil des Stücks ist es schließlich Faber, der selbst in die Kamera spricht: direkt, unmittelbar, geläutert durch die Liebe, bereit, dem eigenen Tod ins Auge zu blicken. Er ist zu Hanna zurückgekehrt. In diesen letzten Minuten im Krankenhaus, bevor er zu einer existentiellen Krebs-Operation abgeholt wird, erkennt er: „Ich hänge an diesem Leben wie noch nie." Und wie im Buch endet das Stück offen: „Sie kommen“.