Eine Rarität in Tuttlingen
Hochschulcampus verfügt derzeit über den wohl einzigen Brennstoffzellen-Wagen im Kreis
TUTTLINGEN - Seit Anfang des Jahres fährt durch Tuttlingen wohl das erste Auto, das mit einer Brennstoffzelle angetrieben wird. Das Fahrzeug hat der Stuttgarter Automobil-Konzern Daimler dem Tuttlinger Hochschulcampus der Hochschule Furtwangen zur Verfügung gestellt. Bis Ende Juni kann Prof. Frank Allmendinger von der Fakultät Industrial Technologies sich mit dem Fahrzeug näher vertraut machen – und damit vielleicht auch seine Forschung im Bereich der Erneuerbaren Energien vorantreiben.
„Die Mobilität ist die Grundlage modernen Lebens“, betont Allmendinger. Die offene Gesellschaft, der Freihandel, all das seien die Geheimnisse des Erfolgs in Deutschland. Doch dabei muss der Weg weg von den fossilen Energieträgern führen. Davon ist Allmendinger überzeugt. „20 Prozent des Energieverbrauchs in Deutschland wird durch das Auto verursacht“, betont er.
Zwei glückliche Umstände Die Automobil-Hersteller hätten sich schon vor vielen Jahren auf den Weg gemacht, um vom Verbrennungsmotor weg zu kommen, sei es als Hybrid-Fahrzeug, als Pluginhybrid, als Elektroauto – oder eben mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle. Gerade das batteriegespeiste E-Auto habe ein Problem mit der Reichweite. Im Winter reduziere sich diese um 30 Prozent, etwa durch den Betrieb der Heizung, im Sommer durch die Klimaanlage. „Die Brennstoffzelle schafft deutlich mehr“, betont Allmendinger. Und dabei sei diese als Antrieb lange bekannt. Schon in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts war sie ein Thema – also vor mehr als 180 Jahren. Der erste Porsche, so berichtet Allmendinger, sei übrigens batteriebetrieben gewesen.
Der Hochschulcampus profitiert bei der Bereitstellung des Wagens von zwei Begebenheiten im Landkreis Tuttlingen: zum einen vom neuen Prüf- und Technologiezentrum von Daimler in Immendingen und von der Wasserstoff-Tankstelle in Geisingen, die Ende 2016 in Kirchen-Hausen in Betrieb gegangen ist. Von letzterer gibt es laut Allmendinger in ganz Deutschland lediglich 45. Bis zum Jahr 2020 sollen es immerhin 2000 werden. „Das sind derzeit noch viel zu wenige, und das ist der Pferdefuß“, sagt Allmendinger. Zum Vergleich: Die Anzahl der herkömmlichen Tankstellen lag im Jahr 2017 in Deutschland laut ADAC bei 14 152.
Insgesamt gibt es im Land nur rund tausend Autos, die mit einer Brennstoffzelle angetrieben werden. Und warum bekommt der Campus einen solchen Daimler, der nur 200 Mal produziert worden ist? Allmendinger wird, sobald das Innovationsund Forschungscentrum am Campus im Sommer fertig ist, über ein Elektrochemielabor verfügen, das von der Ewald-MarquardtStiftung mit 80 000 Euro finanziert wird.
Darin wird die neu gegründete Arbeitsgruppe „Elektrochemische Energiesysteme“zu elektrischen Antriebssystemen forschen und entwickeln. „Wir müssen die Technik in die Breite bringen und die Industrie weiter vernetzen“, betont Allmendinger. Die Hochschule habe ein großes Interesse, mit der Industrie in diesem Bereich Projekte voranzubringen. „Wir könnten Baden-Württemberg einen Vorteil verschaffen“, ist sich Allmendinger sicher. Einen Dämpfer gab es allerdings am Donnerstag, als der führende europäische Automobilzulieferer Bosch mitteilte, dass er keine eigenen Batteriezellen in Deutschland bauen will. Laut Allmendinger ist Wasserstoff ein großer Energiespeicher, der mit einem großen Druck in den Wasserstofftank des Wagens gepresst wird. Anders als bei einem gasbetriebenen Auto sei der Wasserstoff aufgrund der Beschaffenheit des Tanks nicht besonders flüchtig: „Nach einem Jahr wären noch 99 Prozent des Wasserstoffs vorhanden“, sagt der Professor – natürlich dann, wenn der Wagen nicht bewegt worden ist.
Der Start braucht seine Zeit Und dass ein Brennstoffzellen-Fahrzeug auch eine gute Beschleunigung hat und Fahrspaß verbreiten kann, zeigt sich bei einer kleinen Probefahrt. Bei dem derzeit kalten Wetter benötigt es aber etwas länger, um den Wagen zu starten. Doch das gilt ja auch für den umstrittenen Diesel, der bei niedrigeren Temperaturen gerne ausflockt.