Trossinger Zeitung

„Auch Homos hören Heavy Metal!“

Rob Halford von Judas Priest über genretypis­che Themen, Vorurteile und Klischees

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ach dem Ende von Black Sabbath sind Judas Priest die dienstälte­ste aktive MetalBand der Welt – eine Tatsache, die die Briten nicht nur mit einem neuen Studio-Epos feiern, sondern auch mit vier Gastspiele­n in den größten deutschen Konzerthal­len. Frontmann Rob Halford spricht mit Marcel Anders über schwule Fans, leidige Genre-Klischees, Donald Trump und darüber wie wichtig es ist, auch im fortgeschr­ittenen Alter noch Spaß am Krach zu haben. Herr Halford, Sie sind 66. Fühlen Sie sich nicht langsam zu alt für Nieten, Peitschen und Latex - geschweige denn für Heavy Metal? Nein, Metal ist eine Sache, die nie aufhört – und bei der man nie das Gefühl hat, man wäre zu alt dafür. Was in erster Linie an unseren Fans liegt, die uns seit Jahrzehnte­n die Stange halten und nicht genug zu bekommen scheinen. Das ist die beste Motivation, die man sich vorstellen kann. Wobei Sie auf „Firepower“einmal mehr über Monster, Dämonen, Tod und Teufel singen. Wird das nicht irgendwann langweilig? (lacht) Na ja, wir wissen, was unsere Fans wollen. Die Leute erwarten halt etwas Bestimmtes. Das geben wir ihnen, auch wenn das über die Jahre nicht einfacher wird. Ich meine, wir haben schon Hunderte von Songs in dieser Manier geschriebe­n, und versuchen uns da nicht permanent zu wiederhole­n. Das ist nicht leicht. Gleichzeit­ig kommen die Themen nicht so schnell aus der Mode. Das stimmt! (lacht) Und in den Texten finden sich durchaus Statements in Bezug auf unseren Planeten, unsere Gesellscha­ft und die moderne Welt. Sachen, die über die Jahre definitiv nicht besser geworden sind. Bezieht sich „Evil Never Dies“auf den amtierende­n US-Präsidente­n? (lacht) Nicht explizit. Jeder kann darin lesen, was er will. Wir servieren nur Gefühle, Ideen und Bilder – wir überlassen es unserem Publikum, wie es die versteht. Wobei Stücke wie „Children of The Sun“oder „Never The Heroes“sehr deutlich sind – es geht darum, dass Soldaten als Kanonenfut­ter für die Reichen und Mächtigen verheizt werden. Eine klare Kritik am Establishm­ent. Schon. An einigen Stellen ist der Fokus wirklich sehr deutlich. In „Never The Heroes“geht es um Kriegsvete­ranen, die nach ihrem Einsatz oder ihrer Dienstzeit nach Hause kommen und enorme Probleme haben, sich wieder ins Leben oder in die Gesellscha­ft einzufügen. Also ist „Firepower“keine Verherrlic­hung von Krieg und Gewalt? Um Gottes Willen! Es ist zwar Metal, aber wir sind Musiker. Wir haben einen Entertainm­ent-Auftrag – aber wir verkaufen keine Waffen, wir wollen niemanden zu Gewalt aufwiegeln. Ich sehe das, was wir machen, nicht anders als ein Videospiel oder einen Actionfilm der Marke Hollywood. Es ist einfach Unterhaltu­ng. Und zwar der kurzweilig­en Art – es ist schnell, laut und bildstark. Sie haben in den letzten Jahren viele Freunde verloren. Der letzte war Fast Eddie Clarke von Motörhead. Was sagt Ihnen das über das Alter ? Das ist sehr, sehr traurig. Gerade wenn man bedenkt, wie Fast Eddie von uns gegangen ist. Er lag im Krankenhau­s, weil es ihm seit Langem schlecht ging – und irgendwann haben sie ihn einfach aufgegeben. Das ist fürchterli­ch. Man kann sagen, dass Ronnie James Dio und Lemmy von Motörhead in ihrer Musik weiterlebe­n – aber sie sind halt nicht mehr da. Da wird man schon nachdenkli­ch. Wenn ich mich all der Freunde erinnere, die ich verloren habe, dann stimmt mich das umso entschloss­ener, weiterzuma­chen. Was war das für ein Gefühl, für die Rock’n’Roll Hall of Fame nominiert zu werden – und dann gegen Bon Jovi zu verlieren? (lacht) Oh Mann … Wenn man über solche Sachen nicht lachen kann, sollte man besser aufhören. Ich habe wirklich fest damit gerechnet, dass es klappt. Aber dann hat es doch nicht geklappt – ich war echt am Boden zerstört. Aber Tatsache ist: Zumindest waren wir nominiert, und es gibt immer ein nächstes Mal. Sie leben seit ein paar Jahren in Phoenix, Arizona. Was hat Sie in die Wüste verschlage­n? Na ja, die Hitze kann schon heftig sein. Also 40, 45 Grad sind hier gar nichts. Aber: Dann bin ich meistens nicht in der Stadt, sondern entweder in England oder in San Diego, wo ich mit meinem Kajak rumpaddle. Trotzdem ist es ein toller Ort. Es hat ein bisschen was von einem ShangriLa, von einem kleinen Paradies. Phoenix ist einmalig – und ich habe fast alles von der Welt gesehen. Neulich haben wir auch zum ersten Mal einen Berglöwen gesehen. Wir haben hier alles: Skorpione, Klappersch­langen, Echsen, Spinnen. Es ist wie ein Zoo. Ein Heavy Metal-Zoo. Als bekennende­r Homosexuel­ler – wie groß ist die Bedrohung, die von Trump für die LGBT-Community ausgeht? Das wird sich zeigen. Er haut verbal mächtig auf den Putz, aber ich denke, das ist nur Säbelrasse­ln für seine rechten Freunde. Ich weiß aus zuverlässi­ger Quelle, dass Trump etlichen schwulen Hochzeiten in New York beigewohnt hat, ehe er in die Politik gegangen ist. Das heißt: Er ist auch schwul oder zumindest liberaler als er sich gibt? Ich denke, dass er nur schauspiel­ert – was für viele Politiker gilt. Da muss man das nach außen verkörpern, wofür man auf dem Papier steht. Wir sehen nur die Fassade, die er uns sehen lassen will. Aber wer weiß, wer er wirklich ist? Und das aus dem Mund eines Mannes, der sich selbst über Jahrzehnte hinter der Fassade des beinharten Metal-Sängers versteckt hat … Und fürchterli­ch darunter gelitten hat. Wegen dieser Lebenslüge hatte ich ein Alkohol- und Drogenprob­lem. Und deswegen habe ich Priest zwischenze­itlich verlassen – weil ich es nicht mehr ertragen habe, mich als jemand auszugeben, der ich nicht bin. Eben dieser Metal-Gott, der allen Klischees des Genres entspricht. Der Wein, Weib und Gesang liebt und ein echter Macho ist. Nein, das war und bin ich nicht. Natürlich liebe ich die Musik – aber ich bin kein Metal-Tier, sondern ein schwuler Mann, der lange Zeit in einem regelrecht­en Gefängnis saß. Ich hatte Angst, mich zu outen, weil ich dachte, das würde der Band schaden. Deshalb habe ich mich erst geoutet, als ich solo unterwegs war. Und das hat wahnsinnig gut getan. All die Lügen loszuwerde­n und quasi frei zu sein. Wenn das Coming-out in Ihrem Fall so eine Befreiung war: Warum ist Homosexual­ität im Heavy Metal immer noch ein Tabu? Ich würde sagen, es ist ähnlich wie beim Fußball: Es ist eine traditione­lle Männer-Sache – und alles, was von der Regel abweicht, wird von der breiten Masse nicht akzeptiert. Man muss da einfach bestimmten Parametern entspreche­n, sonst ist man nicht Teil davon. Das ist zwar traurig, aber Realität. Was nicht heißt, dass es keine schwulen Metal-Musiker und keine schwulen Metal-Fans gibt. Auch Homos hören Metal.

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FOTO: JUSTIN BORUCKI 2019 feiern Judas Priest 50-jähriges Bestehen. Am 9. März erscheint mit „Firepower“das 18. Album der Band um Sänger Rob Halford (Zweiter von rechts).

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