Maas soll Außenminister Gabriel ablösen
SPD-Pläne schon vorab publik – Ämter wohl auch für Franziska Giffey und Svenja Schulze
BERLIN (dpa) - Die SPD-Spitze zieht Außenminister Sigmar Gabriel gegen seinen Willen aus der Bundesregierung ab und ersetzt den früheren Parteichef durch den bisherigen Justizminister Heiko Maas. Das verlautete am Donnerstag aus Parteikreisen in Berlin. Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wird der neuen Regierung von Union und SPD nicht mehr angehören. Zudem überrascht die SPD mit der Besetzung des Familienministeriums: Die 39-jährige Bürgermeisterin des Berliner Problembezirks Neukölln, Franziska Giffey, soll neue Ressortchefin werden.
In Vorstandskreisen wurde großer Unmut über das Durchsickern der Personalien laut. Offiziell soll die Liste mit den sechs SPD-Ministern im neuen Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel erst heute Vormittag von der designierten SPD-Chefin Andrea Nahles und dem kommissarischen Parteivorsitzenden Olaf Scholz vorgestellt werden.
Giffey stammt aus Frankfurt an der Oder und soll als ostdeutsche Vertreterin ins Kabinett gehen. Hinter den Kulissen gab es heftige Debatten – Proporzregelungen machten das Ganze zum erbitterten Poker am Donnerstag. Ein Posten für jemanden aus dem Osten, sowie je einer für Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen war der Anspruch, dazu drei Frauen, drei Männer.
Der Saarländer Maas ist seit 2013 Bundesjustizminister. Der 51-Jährige galt neben der bisherigen Familienministerin Katarina Barley aus Rheinland-Pfalz als Favorit auf die Nachfolge Gabriels. Barley wiederum könnte das Arbeits- und Sozialministerium übernehmen. Hierfür war aber auch am Donnerstag Hubertus Heil aus Niedersachsen im Gespräch. Bis zuletzt hing diese Besetzung davon ab, wer das Justizministerium übernimmt. Sollte Barley dies tun, könnte Heil – oder jemand anderes aus Niedersachsen – das wichtige Arbeits- und Sozialministerium übernehmen. Als weitere Kandidaten für das Justizministerium gelten Thomas Oppermann und Matthias Miersch. Umweltministerin könnte die derzeitige Generalsekretärin der nordrhein-westfälischen SPD, Svenja Schulze, werden. Am spannendsten war indes die Frage nach dem Außenminister. Eigentlich hatte der frühere SPD-Chef Martin Schulz den Posten für sich reklamiert. Nach großem innerparteilichen Druck hatte er dann doch darauf verzichtet. Schulz hatte nach dem Debakel der SPD bei der Wahl ausgeschlossen, in ein Kabinett Merkel einzutreten. Dass Gabriel nicht mehr zum Zug kommen würde, hatte sich angedeutet, als Nahles „Teamfähigkeit“als Eignungskriterium für das neue Kabinett genannt hatte. Diese Eigenschaft wird dem zu Alleingängen neigenden Gabriel parteiintern von vielen abgesprochen.
Der frühere SPD-Chef schrieb, er sei nach wie vor Abgeordneter des Bundestags, aber nach 18 Jahren ende nun „die Zeit, in der ich politische Führungsaufgaben für die SPD wahrgenommen habe“. In Maas sieht Gabriel einen sehr guten Nachfolger. „Er wird das exzellent machen“, sagte er am Donnerstag in Berlin bei seinem letzten öffentlichen Auftritt als Minister im Auswärtigen Amt.
BERLIN (dpa) - Eigentlich ist alles so wie immer im Pressefoyer des Auswärtigen Amts. Zwei Rednerpulte, hinter denen drei Fahnen stehen: die schwarz-rot-goldene, die der Europäischen Union und die des Gastlandes – diesmal Bosnien-Herzegowina. Nur die große Anzahl der Kameras und Journalisten, die sich am frühen Donnerstagnachmittag in dem kleinen Raum tummeln, ist ungewöhnlich.
Gabriel spricht bei der Pressekonferenz mit seinem bosnischen Amtskollegen Igor Crnadak über seine „große Sorge“hinsichtlich der Lage auf dem westlichen Balkan, über Reformbemühungen und über die bilateralen Beziehungen – das, was man als Außenminister eben so macht. Erst ganz am Ende seines Eingangsstatements erwähnt er ganz beiläufig das, was die Journalisten in so großer Zahl ins Auswärtige Amt gelockt hat: „Das (ist) heute hier mein letzter offizieller internationaler Termin, auch die letzte Pressekonferenz zu internationalen Themen hier im Haus.“
Auf Nachfrage würdigt er dann noch seinen designierten Nachfolger Heiko Maas. Der werde das „exzellent“machen. Und dann will noch jemand wissen, wie es ihm selbst geht: „Mir geht es auch gut“, sagt er, lacht und geht. „Macht es gut, tschüss.“
Es ist ein Abgang im zweiten Anlauf. Vor genau einem Monat hatte Martin Schulz nach seinem Aus als SPD-Chef bereits verkündet, dass Sigmar Gabriel seinen Posten als Außenminister an ihn abgeben muss. Gabriel reagierte auf die eiskalte Entlassung mit einem Wutausbruch. Zwei Tage später wendete sich das Blatt wieder, Schulz schmiss hin und der geschäftsführende Außenminister war zurück im Rennen.
Seit Donnerstag ist aber nun endgültig klar, dass mit Gabriel einer der erfahrensten und beliebtesten Politiker Deutschlands der neuen Regierung nicht angehören wird. Diesmal nahm der 58-Jährige die Verkündung aber lieber selbst in die Hand. „Nun endet die Zeit, in der ich politische Führungsaufgaben für die SPD wahrgenommen habe“, schrieb er auf Twitter und zählte die Erfolge in siebeneinhalb Jahren als Parteichef und acht Jahren als Bundesminister auf. Kurz zuvor hatten die Fraktionschefin und designierte SPD-Vorsitzende Andrea Nahles und der kommissarische Parteichef Olaf Scholz ihn informiert. Die Entscheidung ist alles andere als eine Überraschung. Gabriel fehlte zuletzt jede Unterstützung in der Parteispitze. Mit Nahles, die einst unter ihm Generalsekretärin war, hat sich Gabriel überworfen. Sein Verhältnis zu Scholz gilt ebenfalls als schwierig.
Gabriel werden vor allem seine Sprunghaftigkeit und seine Alleingänge angekreidet. Wenn Nahles sagt, dass Teamfähigkeit das wichtigste Eignungskriterium für einen Kabinettsposten sei, dann ist das vor allem auf Gabriel gemünzt. Die letzte Restchance auf das Außenamt hat sich der Einzelkämpfer Gabriel dann selbst genommen, indem er seine Tochter Marie mit einer abfälligen Bemerkung über Schulz zitierte („der Mann mit den Haaren im Gesicht“). Sehr beliebt bei der Basis Parteipolitisch war die Entlassung Gabriels also eine klare Sache. Er passt einfach nicht mehr ins Machtgefüge der Sozialdemokraten. An der Parteibasis und in der Bevölkerung wird der Niedersachse aber ganz anders gesehen. In Umfragen liegt er bei der Frage, wer der beste Außenminister wäre, mit Riesenabstand vorne. In den Ranglisten der beliebtesten Politiker belegt er seit Monaten Spitzenpositionen.
Und seine außenpolitische Bilanz? Gabriel hat seinen eigenen Stil entwickelt: eine vollkommen undiplomatische Außenpolitik oder auch eine sehr politische Diplomatie – je nachdem, von welchem Standpunkt aus man es betrachtet. Er war jedenfalls das Gegenteil von seinem Vorgänger Frank-Walter Steinmeier, der seine Erfolge in langwierigen Verhandlungen etwa über die UkraineKrise oder das iranische Atomprogramm suchte. Gabriel fehlte dafür die Geduld. Er liebte die klaren Worte auf offener Bühne. Viele Amtskollegen und Regierungschefs halten große Stücke auf ihn. Selbst ein ehemaliger Gegner wie der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu nennt ihn inzwischen demonstrativ „meinen verehrten Freund“.
Nun hat Gabriel einen Lehrauftrag an der Universität Bonn angenommen. Im Bundestag nimmt er auf der Hinterbank Platz – zusammen mit Martin Schulz.