Sanierung von Polizeischulen stockt
Ein Urteil des Oberlandesgerichts könnte den Aufbau neuer Ausbildungsstätten verzögern
STUTTGART (tja) - Uralte Zimmer, Platznot, Unterricht in Containern: Die Polizeischulen in Baden-Württemberg sind nach Ansicht der Deutschen Polizeigewerkschaft marode. Landeschef Ralf Kusterer sagt: „Wir sind weit davon entfernt, auch nur einigermaßen ordentliche Bedingungen für die Ausbildung und Unterbringung zu bekommen.“Damit gerate die vom Land geplante Neueinstellung von 3600 Polizisten in Gefahr. Ein Gerichtsurteil könnte die Lage noch verschärfen.
STUTTGART - 3600 Polizisten will das Land Baden-Württemberg in den kommenden beiden Jahren einstellen. Doch die ambitionierten Pläne geraten ins Stocken. Grund sind Verzögerungen beim Bau neuer Ausbildungsstätten. Am heutigen Freitag fällt dazu ein wichtiges Urteil vor dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe. Dabei geht es um eine möglicherweise inkorrekte Vergabe von Bauaufträgen durch das Land. „Wir sind in Baden-Württemberg weit davon entfernt, auch nur einigermaßen ordentliche Bedingungen für die Ausbildung und Unterbringung zu bekommen“, resümiert Ralf Kusterer, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft.
An den Polizeischulen des Landes herrscht bereits Enge. Anwärter berichten von zum Teil unhaltbaren Zuständen – Schimmel, maroden Sanitäranlagen, fehlendem WLAN. Deswegen gibt es Bauarbeiten an allen fünf Standorten in Villingen, Biberach, Lahr, Bruchsal und Böblingen. Hinzu kommen neue Standorte in Wertheim und Herrenberg (Kreis Böblingen). Dort baut das Land ein ehemaliges Bürohaus der Firma IBM um. Eigentlich sollten dort im Herbst 2018 die ersten Klassen mit Polizeischülern starten. Schon jetzt steht fest: Daraus wird nichts. „Der geplante fristgerechte Bezug der Liegenschaft zum Herbst 2018 ist nicht mehr möglich“, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Deswegen müssen mindestens bis Herbst 2019 vier Klassen in Böblingen und Biberach ihre Ausbildung starten statt wie geplant in Herrenberg. Die zusätzlich notwendigen Büros und Klassenräume finden laut Innenministerium im bestehenden Gebäude Platz. In Wertheim müssen Container her Polizeiintern gibt es daran aber Kritik. Schon jetzt sei es eng, viele Räume in Biberach entsprächen nicht modernen Standards. Um wie geplant künftig 150 Anwärter mehr pro Jahr aufzunehmen, errichtet das Land Modulbauten. In Wertheim müssen übergangsweise Container her, um ab Sommer Klassenräume für 300 Polizeischüler zu schaffen.
Und es könnte noch schlimmer kommen: Eine Baufirma wirft dem Land vor, Aufträge für den Umbau in Herrenberg nicht korrekt vergeben zu haben. Das Nürnberger Unternehmen will mit seiner Klage erreichen, dass es selbst den Zuschlag für Schadstoffsanierungen in Herrenberg bekommt. Das wollen die Richter des OLG entscheiden. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa tendieren sie dazu, dem Kläger Recht zugeben. „Die Beschwerde der Antragstellerin bietet nach der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, die derzeit möglich ist, überwiegend Aussicht auf Erfolg“, heißt es in einem vorliegenden Beschluss des OLG.
Eine solche Entscheidung würde die Bauarbeiten weiter verzögern. „Ein Baustopp wegen einer fehlerhaften Vergabe beim geplanten Umbau in Herrenberg gefährdet die Einstellungsoffensive und hat negative Auswirkungen auf die Fortbildung“, konstatiert Gewerkschafter Kusterer. Denn auch in Böblingen, wo Polizisten Fortbildungen absolvieren sollen, wird seit Jahren modernisiert. Intern heißt es, Schulungsteilnehmer würden lieber kilometerweit nach Hause fahren, statt in den veralteten Zimmern zu hausen. Prioritätenliste für Ausbildung Nun werden ab 2018 auch noch Polizeianwärter übergangsweise in Böblingen unterrichtet, die eigentlich ihre Ausbildung in Herrenberg hätten starten sollten. Um Platz zu schaffen, werden auch in Böblingen sechs Container aufgestellt und Räume umfunktioniert. Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“erarbeiten die Verantwortlichen in Böblingen bereits eine Prioritätenliste. Sie legt fest, welche Seminare und Schulungen trotz akuter Raumnot unbedingt stattfinden müssen und welchen notfalls verschoben werden können.
Gewerkschafter Kusterer fordert angesichts der Zustände: „Die Chefplaner sollten endlich mit politischen Spielchen aufhören und insbesondere die Abwehrhaltung zu einer Rückkehr der bewährten Ausbildung an die ehemaligen Polizeischulstandorten aufgeben.“Vor der Polizeireform unter dem damaligen SPD-Innenminister Reinhold Gall bildete das Land Polizisten auch in Göppingen aus. Wenigstens übergangsweise könnten nach Ansicht von Kusterer hier wieder Anwärter die Schulbank drücken.
Wenig erfreut über die Entwicklungen zeigt sich der Bürgermeister der Gemeinde Meßstetten. „Ich kann nur noch den Kopf schütteln“, sagte Frank Schroft (CDU) dem „Zollernalbkurier“. Denn: Dort steht eine ehemalige Kaserne leer, sie wurde auch als neuer Standort für eine Polizeischule geprüft – und wäre laut Stadt im Sommer 2018 bezugsfertig gewesen, für rund acht Millionen Euro. In Herrenberg sollen 30 Millionen Euro investiert werden.