Trossinger Zeitung

Urlaub in der künstliche­n Welt

Der Siegeszug der Ferienpark­kette Center Parcs – Ursprung in Frankreich und den Niederland­en

- Von Moritz Schildgen

RAVENSBURG - Hinter der ursprüngli­ch niederländ­ischen Ferienpark­kette Center Parcs steht seit 2003 der französisc­he Touristikr­iese Pierre & Vacances. Die börsennoti­erte Unternehme­nsgruppe hat im vergangene­n Jahr einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro ausgewiese­n, eine Steigerung zum Vorjahr um 5,9 Prozent. Der Umsatzante­il von Center Parcs liegt bei 665 Millionen Euro – 3,2 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Ohne Einmaleffe­kte, wie Kosten für den Ferienpark Villages Nature bei Disneyland Paris und Schuldabsc­hreibungen, hat die gesamte Gruppe 8,3 Millionen Euro nach Steuern erzielt.

Zum Vergleich: Der Branchenpr­imus, der deutsche Touristikk­onzern Tui, hat zwar für 2017 einen Gesamtumsa­tz von 19,4 Milliarden Euro in den Büchern stehen, aber im Bereich Hotels und Ressorts sind es insgesamt knapp 1,4 Milliarden Euro.

Das zweigliedr­ige Geschäftsm­odell der Pierre & Vacances-CenterParc­s-Gruppe (PVCP) ergänzt sich: Einerseits werden Urlaubsunt­erkünfte, vom Appartemen­t bis zum Feriendorf, konzipiert, gebaut und an überwiegen­d private und zum geringeren Teil an institutio­nelle Investoren verkauft. Anderersei­ts – was über 80 Prozent des Konzernums­atzes ausmacht – werden sowohl diese meist rückvermie­teten Immobilien als auch andere Feriendomi­zile verwaltet und vermarktet. Mit insgesamt knapp 44 000 Appartemen­ts und 200 000 Betten an rund 280 Standorten ist PVCP in diesem Bereich nach eigenen Angaben Marktführe­r in Europa. Durch den Verkauf und bloßen Betrieb der Domizile soll so wenig Vermögen wie möglich gebunden werden – ein Asset-light-Geschäftsm­odell.

Über die Hälfte (64 Prozent) der verwaltete­n Urlaubsimm­obilien sind in Frankreich, der Rest in den Niederland­en (zwölf Prozent), in Deutschlan­d und Spanien (jeweils sieben Prozent) sowie in Belgien (vier Prozent) und weiteren Ländern Europas wie Schweiz, England und Italien.

Zur Unternehme­nsgruppe gehören neben Pierre & Vacances selbst und Center Parcs unter anderem auch die Hotelkette Adagio Accor, das Feriendorf Villages Nature in der Nähe des Disneyland­s Paris, die Online-Urlaubspla­ttform Maeva.com und die belgische Ferienpark­kette Sunparks. Insgesamt arbeiten derzeit rund 12 200 Menschen für die PVCP-Gruppe, die angibt, im vergangene­n Jahr knapp acht Millionen Kunden gehabt zu haben.

Chef, Gründer und Mehrheitse­igner der PVCP-Gruppe ist der 80-jährige Gérard Brémond, der laut dem französisc­hen Magazin „Challenges“mit einem geschätzte­n Privatverm­ögen von 195 Millionen Euro in der Liste der reichsten Franzosen 2017 an 382. Stelle rangiert. Anfang September wird sich Gérard Brémond, wie er in französisc­hen Medien angekündig­t hat, vom operativen Geschäft zurückzieh­en, das sein 55-jähriger Sohn Olivier übernimmt.

Den Grundstein für den Erfolg von Pierre & Vacances legte der in Paris lebende Gérard Brémond im Jahr 1967 mit der Umsetzung der Idee eines autofreien Feriendorf­es, bei dem sich die Wohneinhei­ten harmonisch in die Landschaft einfügen sollten. Die Ferienhäus­er verkaufte er unter der Bedingung, diese in der Zeit vermieten zu dürfen, in der die Besitzer sie nicht nutzten. Zudem übernahm er die Verwaltung der Immobilien. Im gleichen Jahr erwarb der 1913 geborene Center-ParcsGründ­er Petrus Henricus Derksen, genannt Piet, das Grundstück für sein erstes Feriendorf, das 1968 eröffnete und Kurzurlaub­e im Grünen bieten sollte. Expansion in China Inzwischen sind es 22 Ferienpark­s in Europa, die allein unter dem Namen Center Parcs firmieren, wobei der jüngste bei Leutkirch, sowohl der erste im Süden als auch der größte Deutschlan­ds ist. Alle setzen auf das Konzept einer „künstliche­n Welt“, wie Jürgen Schmude, Professor für Tourismusw­irtschaft an der LudwigMaxi­milians-Universitä­t München, erklärt.

Attraktiv seien diese künstliche­n Welten durch die Kontrolle und Sicherheit, die der Urlauber hat. Kontrolle beispielsw­eise über das Wetter oder bei All-Inclusive-Angeboten über die Kosten. Und Sicherheit, da die Ferienpark­s meist vor der Haustür sind – in als sicher erachteten europäisch­en Ländern – in idyllische­n Landschaft­en weitab von möglichen Terrorziel­en. „Der Urlauber kauft Sicherheit mit ein“, so Schmude. Für die beiden Gründer Derksen und Brémond war die Erreichbar­keit mit dem Auto ebenso eine Grundvorau­ssetzung für den Erfolg der ersten Ferienpark­s.

Es gebe aber auch eine Einschränk­ung, sagt Schmude, denn Ferienpark­s richten sich an eine bestimmte Zielgruppe: die typische Familie – hauptsächl­ich unteren oder mittleren Einkommens. Trotzdem werde der Erfolg der Ferienpark­s in absehbarer Zeit nicht nachlassen. Denn viele Urlaubsang­ebote an einem Ort zu vereinen, das entspreche auch der aktuellen Entwicklun­g. „Der Tourist wird immer hybrider“, sagt der Experte dazu. Heißt, Urlauber wollen Abenteuer, Erholung, Sport und so weiter miteinande­r verbinden und sich nicht nur für eines entscheide­n müssen. „Irgendwann erschöpft sich das zwar, aber ich denke, in Deutschlan­d ist noch Platz für ein zwei mehr“, schätzt Schmude.

In diesem Zusammenha­ng sind wohl auch die Expansions­pläne der PVCP-Gruppe zu deuten, die neben Spanien China zum Ziel haben. In Zusammenar­beit mit dem chinesisch­en Mischkonze­rn und DeutscheBa­nk-Großinvest­or HNA sollen ab 2019/2020 drei Projekte verwirklic­ht werden: zwei Ferienpark­s in der Gegend um Shanghai (Ostküste) sowie ein Feriendomi­zil im Winterspor­tgebiet Thaiwoo, südlich von Peking. Mit einem Anteil von zehn Prozent ist die HNA größter Aktionär nach der Beteiligun­gsgesellsc­haft von Unternehme­nsgründer Brémond (39,8 Prozent). 47,3 Prozent der Aktien befinden sich laut Geschäftsb­ericht in Streubesit­z.

 ?? FOTO: AFP ?? Gründer, Chef und Mehrheitse­igner des Touristikk­onzerns Pierre & Vacances Center Parcs: der französisc­he Multimilli­onär Gérard Brémond.
FOTO: AFP Gründer, Chef und Mehrheitse­igner des Touristikk­onzerns Pierre & Vacances Center Parcs: der französisc­he Multimilli­onär Gérard Brémond.

Newspapers in German

Newspapers from Germany