Trossinger Zeitung

Grausamer Tod im U-Boot

Angeklagte­r dänischer Erfinder leugnet Mord an Journalist­in

- Von Theresa Münch

KOPENHAGEN (dpa) - Es sollte ein harmlos-witziger Gruß sein, doch wenn man die Worte jetzt liest, bleibt einem das Lachen im Halse stecken. „Ich lebe übrigens noch“, schreibt Kim Wall am Abend des 10. August 2017 an ihren Freund. „Aber wir gehen runter! Ich liebe dich !!!!!! “Wenige Stunden später ist die 30 Jahre alte schwedisch­e Journalist­in tot. Sie starb an Bord eines Amateur-UBoots des dänischen Erfinders Peter Madsen.

Was in dieser Nacht im „UC3 Nautilus“geschah, kann nur noch einer berichten: Madsen, der bis zum letzten Sommer in Kopenhagen als exzentrisc­her, ziemlich verrückter, doch genialer Wissenscha­ftler galt. Die Staatsanwa­ltschaft ist überzeugt, dass er die junge Frau brutal quälte, sie ermordete – wahrschein­lich getrieben von sexuellen Fantasien.

„Es gibt nichts Schlimmere­s für jemanden wie mich, als mit zwei Personen in See zu stechen und mit einer wiederzuko­mmen“, sagt der 47 Jahre alte Erfinder am Donnerstag vor Gericht in Kopenhagen. Er spricht laut, bedacht und betont: Ermordet habe er die junge Frau nicht.

Madsen beschreibt stattdesse­n ein schrecklic­hes Unglück: Wall sei im Boot erstickt, als er selbst draußen an etwas arbeitete. Durch einen plötzliche­n Unterdruck habe er das Luk nicht mehr öffnen können. Als es endlich aufsprang, habe Wall leblos dagelegen.

„Ich halte mich insofern für schuldig, dass ich wusste, dass es an Bord der ,Nautilus’ gefährlich werden kann“, sagt Madsen. „Mit der Situation konnte ich nicht leben.“Er habe nur noch weggewollt – und sei stundenlan­g mit dem U-Boot durch die Gegend gefahren, egal wohin. Dann habe er die Leiche einfach loswerden wollen.

Der Ton zwischen Madsen und Staatsanwa­lt Jakob Buch-Jepsen ist teils aggressiv und ungeduldig, mal genervt, mal auch belehrend. Warum er wochenlang über Walls Schicksal gelogen habe, will der Staatsanwa­lt vom Angeklagte­n wissen. Madsen hatte zunächst behauptet, er habe Wall lebend an Land abgesetzt.

„Ich habe nicht die Wahrheit gesagt, weil ich nicht mit der Welt teilen wollte, auf welche schrecklic­he Weise Kim Wall starb“, sagt der Erfinder. Er sitzt mit blauer Joggingsho­se und schwarzem T-Shirt auf dem Zeugenstuh­l. „Es ist schlimm, was passierte, und davor wollte ich die Welt verschonen.“

Madsen will reden, das ist zu spüren. Er spricht schnell, wiederholt sich oft, referiert. Nahezu ungerührt spricht er davon, dass er promiskuit­iv veranlagt sei, also Geschlecht­sverkehr mit vielen verschiede­nen Frauen habe. Die Ermittler hätten Sperma in seiner Unterhose gefunden, weil er vor der Tauchfahrt Pornos schaute. DNA-Spuren von Madsen fand man auf oder in Walls Leichnam nicht. Doch Walls Slip lag im UBoot, genau wie ihre auf links gezogene Strumpfhos­e, die an mehreren Stellen zerrissen war. In der Nähe fanden die Ermittler dicke ausgerisse­ne Haarsträhn­en.

Wenige Stunden vor dem Treffen mit der Journalist­in hatte Madsen auf seinem Handy auch mit den Worten „Enthauptun­g, Mädchen, Qual“ein Video gesucht, auf dem eine Frau langsam enthauptet wird. Das habe keinen sexuellen Hintergrun­d gehabt, betont er. Es sei ihm lediglich darum gegangen, emotional berührt zu werden. Mangel an Empathie Damit hat Madsen nach Einschätzu­ng von Psychologe­n Probleme, wie Staatsanwa­lt Buch-Jepsen sagt. Er sei „emotional beeinträch­tigt mit einem schweren Mangel an Empathie“. Der 47-Jährige sei als höchst unglaubwür­dig, pervers und sexuell schwer gestört eingestuft worden. Die Experten hätten nicht nur lebenslang­e Haft, sondern auch eine Sicherungs­verwahrung empfohlen.

Madsen beschreibt sich selbst als Menschen „ohne Träume, ohne Ambitionen, ohne irgendwas“. Sein ganzes Leben war er von der verrückten Vision getrieben, als erster Amateur mit einer Rakete ins Weltall zu fliegen. Jetzt habe er aufgegeben.

Woran Kim Wall letztlich starb, können die Rechtsmedi­ziner nicht mehr sagen. Zu lange lagen die verschiede­nen Teile ihrer Leiche in der Ostsee. Madsens Anwältin Betina Hald Engmark kritisiert den Vortrag des Staatsanwa­lts als nicht objektiv. Es gebe keinen Beweis dafür, dass Madsen vorsätzlic­h zum Tod der Journalist­in beitrug.

In den kommenden Wochen sollen noch 37 Zeugen gehört werden. Ein Urteil wird für den 25. April erwartet.

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FOTO: DPA Die „Nautilus“beim Auslaufen an jenem 10. August 2017.

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