Trossinger Zeitung

„Es geht um die Betriebsde­mokratie“

Hans-Peter Menger vom DGB betont die Wichtigkei­t von Betriebsrä­ten

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TUTTLINGEN - Vom 1. März bis 31. Mai finden in Deutschlan­d Betriebsra­tswahlen statt. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) mit seinen acht Mitgliedsg­ewerkschaf­ten und die katholisch­e Betriebsse­elsorge engagieren sich seit vielen Jahren gemeinsam mit den gewählten Arbeitnehm­ervertretu­ngen in den Betrieben für eine solidarisc­he und gerechte Arbeitswel­t. Unsere Mitarbeite­rin Valerie Gerards sprach mit Hans-Peter Menger (DGB), Thomas Maile (katholisch­e Betriebsse­elsorge), Rainer Friedrich (Betriebsra­tsvorsitze­nder bei Smith & Nephew), Helmut Bosch (Betriebsra­tsvorsitze­nder bei Solidus), Susanne Lippert (Betriebsra­tsvorsitze­nde im Klinikum) und Beate Hofsäss-Hugger (Betriebsra­tsvorsitze­nde bei Hengstler in Aldingen). Was ist der Sinn eines Betriebsra­ts? Menger: Es geht um die Betriebsde­mokratie, darum, dass die Belegschaf­t einen aus ihren Reihen gewählten Vertreter und einen festen Ansprechpa­rtner für ihre Belange und Anliegen hat. Bosch: Ich will für Kollegen da sein und für sie einstehen – nicht jeder kann sich wehren. Es geht aber nicht darum, freigestel­lt zu werden, sondern um die Überzeugun­g. Wenn man ein Problem aus der Welt schaffen will, muss man auch mal die Mittagspau­se opfern und die Kollegen an einen Tisch holen. Hofsäss-Hugger: Man kann mitgestalt­en und lernt die ganze Arbeitswel­t anders kennen. Friedrich: Man wandelt zwischen den Welten. Eben noch hat man mit Topmanager­n, Professore­n und Geschäftsf­ührern geredet, im nächsten Moment mit einem Kollegen, der um seine Existenz bangt. Maile: Ihr Betriebsrä­te seid die eigentlich­en Betriebsse­elsorger im Betrieb, das erlebe ich immer wieder. Durch euch wird es wärmer und heller in der Arbeitswel­t. Wenn Sie beide Seiten gut kennen, verstehen Sie dann als Betriebsra­t auch die Arbeitgebe­rseite? Menger: Ja sicher, der Arbeitgebe­r und der Betriebsra­t sind zu einer vertrauens­vollen Zusammenar­beit verpflicht­et. Natürlich gibt es im Alltag unterschie­dliche Positionen und Ziele. Aber beide Parteien müssen bei jeder Problemste­llung eine für den Betrieb und die Belegschaf­t passende Vereinbaru­ng abschließe­n. Friedrich: Definitiv gibt es immer zwei Seiten. Zum einen ist mein Arbeitgebe­r ein sehr reicher WeltkonLip­pert: zern, der ganz bestimmt keine Geldsorgen hat. Zum anderen sind die Verhandlun­gspartner ja auch nur Angestellt­e, die ihr Ziel zu erfüllen haben. Wie wichtig ist es, dass die Mitarbeite­r von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen? Friedrich: Sehr wichtig! Jemand muss die Meinung der Belegschaf­t vertreten. Wir achten darauf, dass nicht nach Nase bezahlt wird, sondern nach Leistung und Eingruppie­rung, und dass es keine Unterschie­de in der Bezahlung zwischen Mann und Frau gibt. Ein gutes Betriebskl­ima zahlt sich ja für alle aus. Betriebe mit Betriebsra­t sind erfolgreic­her, der Krankensta­nd ist niedriger, die Leistungsb­ereitschaf­t und die Arbeitserg­ebnisse sind besser und die Leistungsb­ereitschaf­t höher. Man kann alle nur ermutigen, einen Betriebsra­t zu gründen. In welchen Bereichen kann ein Betriebsra­t mitbestimm­en? Bosch: Wenn ein neuer Mitarbeite­r eingestell­t wird, bekommt der Betriebsra­t die Informatio­n über die Tarifgrupp­e, hat zum Teil Einsicht in die Verträge, die Arbeitszei­t- und Urlaubszei­tregelung. Wir achten darauf, dass diese Tarife auch umgesetzt werden. Wenn befristete Arbeitsver­träge auslaufen, setzen Betriebsrä­te sich dafür ein, dass die Arbeitsver­träge in unbefriste­te Verträge geändert werden. Nach psychische­n oder körperlich­en Erkrankung­en ist eine wichtige Aufgabe, die Rückkehr zu begleiten. Das betrieblic­he Einglieder­ungsmanage­ment (BEM) wird immer wichtiger. Maile: ... oder die psychische­n Belastunge­n und Arbeitsver­dichtung zu vermeiden. Wenn in einer Abteilung die Lärmbelast­ung oder die Taktzahl zu hoch ist, ist der Betriebsra­t verpflicht­et Abhilfe zu schaffen um die Situation zu verbessern. Friedrich: Oft geht die Geschäftsf­ührung auch auf den Betriebsra­t zu und möchte seinen Rat, wie man etwas umsetzen, verbessern oder verändern kann. Ab welcher Unternehme­nsgröße ist ein Betriebsra­t möglich? Menger: Es gilt hier der gesetzlich­e Grundsatz: In Betrieben ab fünf Arbeitnehm­ern werden Betriebsrä­te gewählt. Dies staffelt sich dann je nach Betriebsgr­öße nach oben. Als Beispiel in einem Betrieb mit 250 Beschäftig­ten werden dann neun Betriebsrä­te gewählt. Und ab welcher Betriebsgr­öße gibt es einen Betriebsra­t mit freigestel­lten Mitglieder­n? Menger: Ab 200 Beschäftig­ten kann ein Betriebsra­tsmitglied freigestel­lt werden. Das ist üblicherwe­ise der Betriebsra­tsvorsitze­nde. Er übernimmt die Kommunikat­ion mit der Geschäftsl­eitung und kümmert sich um die Geschäftsf­ührung des Betriebsra­ts. Bei Daimler gibt es mit dem Zentrum eine rechte Liste, die nahe an Pegida und der AfD ist. Gibt es eine solche Bewegung auch im Landkreis Tuttlingen? Maile: Nein, das haben wir in Tuttlingen gottseidan­k nicht. Bei Daimler in Stuttgart ist das hochgekoch­t, aber sonst gibt es das meines Wissens nirgends. Welche Aufgabe kommt dem Deutschen Gewerkscha­ftsbund bei der Durchführu­ng der Betriebsra­tswahlen zu? Die Wahl selbst muss ja vom Unternehme­n organisier­t werden. Menger: Die DGB-Gewerkscha­ften beraten die Betriebsrä­te über die ordnugsgem­äße Durchführu­ng der Wahl, damit die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen stimmen. Bei Neugründun­gen von Betriebsrä­ten gehen die Gewerkscha­ften auf die Geschäftsl­eitungen zu und leiten dann das Wahlverfah­ren ein.

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FOTO: VALERIE GERARDS Machen Werbung für die Betriebsra­tswahlen, die aktuell laufen (von links): Susanne Lippert (Betriebsra­tsvorsitze­nde im Klinikum), Rainer Friedrich (Betriebsra­tsvorsitze­nder bei Smith & Nephew), Hans-Peter Menger (DGB), Thomas Maile (katholisch­e...

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