Stress ist der größte Beziehungskiller
Psychologe Hans Jellouschek sieht Faktoren als Grundlage einer gelingenden Partnerschaft
TUTTLINGEN - Trotz zuletzt rückläufiger Scheidungszahlen werden in Deutschland noch immer vier von zehn Ehen geschieden. Der auf Paartherapie spezialisierte Psychologe Dr. Hans Jellouschek hat am Mittwoch vor rund 100 Zuhörern in der Stadthalle in einem etwa einstündigen Vortrag darüber referiert, wie Sicherheit in Paarbeziehungen entsteht und Liebe erhalten bleibt.
Dabei kann der gebürtige Österreicher und promovierte Theologe auf seine jahrzehntelangen Erfahrungen in der Arbeit mit Paaren zurückgreifen. Seit 1971 lebt er in Deutschland und leitet zusammen mit seiner Frau in der Nähe von Tübingen eine Praxis für Paartherapie, in der auch Weiterbildungsangebote für Therapeuten angeboten werden.
Wenn die Verliebtheitsphase einer Partnerschaft nach durchschnittlich etwa zwei Jahren vorbei ist, droht häufig auch der schleichende Verlust der Liebe selbst. Für den Erhalt der Liebe braucht es nicht (unbedingt) der anfänglichen intensiven Verliebtheit, der bleibenden leidenschaftlichen Sexualität und der höchsten Glückserwartung. Alle Menschen, führt Jellouschek aus, „suchen ein Leben lang nach Bindungen, die über die Verliebtheit hinausgeht“.
Da eine Beziehung von alleine schlechter wird, müssen beide Partner täglich die Initiative ergreifen und am Erhalt der Liebe arbeiten. Aus seiner Erfahrung als Paartherapeut und neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen hat der 1939 geborene Jellouschek sieben Faktoren erarbeitet, die er als Grundlage einer gelingenden Partnerschaft betrachtet. Liebe braucht Verbindlichkeit, Intimität, eine Balance zwischen Bindung und Autonomie, ein gutes Stress-Management, wechselseitige Achtsamkeit, Großzügigkeit und die Fähigkeit, Krisen als Chancen zu betrachten.
Gerade in unserer schnelllebigen Zeit drohen Paare oft im Strom des Alltags unterzugehen und sich als Liebespaare zu vergessen. Es sei daher wichtig, sich Räume und Zeiten zu reservieren, in denen man sich auf „Paar-Inseln“zurückziehen und wieder als Liebespaar erleben könne. Regelmäßig ließe sich beobachten, dass zu großer Stress der größte Beziehungskiller sei. Jellouschek plädiert dafür, mehr im Hier und Jetzt zu leben. Es sei beispielsweise wichtig, zu lernen, sich wieder bewusst in den Arm zu nehmen, um der Alltagsroutine etwas entgegensetzen zu können.
Auch Krisen, der selbst die stabilsten Beziehungen irgendwann ausgesetzt sind, können der Haltbarkeit der Partnerschaft dienen. Wer die Krise nicht als böses Schicksal, sondern als Herausforderung begreife, könne neue Ebenen des Lebens und der Partnerschaft erschließen und so eine grundpositive Einstellung zum Leben gewinnen.
Jellouscheks interessanter Vortrag basiert auf seinem Buch „Liebe auf Dauer. Was Liebe lebendig hält“, das bereits in vierter Auflage im Freiburger Herder Verlag erschienen ist.