Trossinger Zeitung

Kinder leiden unter Verhältnis­sen am meisten

Abbruchrei­fes Haus wird noch immer für Flüchtling­e genutzt – Ratten und Mäuse

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Klaffende, schimmelig­e Löcher in den Decken, eine versiffte „Küche“mit abgebroche­nen Schranktür­en, eine Toilette wie aus dem vorletzten Jahrhunder­t, eine in der stärksten Kälte ausgefalle­ne Heizung, ein großer Haufen Müll hinterm Haus: Hier in der Flüchtling­sunterkunf­t an der Hauptstraß­e 174 möchten Menschen nicht wohnen. Beobachter reden von „menschenun­würdigen Bedingunge­n“. Wer sich allerdings wohl fühlt, sind Ratten und Mäuse, berichten einige Bewohner bei unserem Besuch. Einer der Bewohner hat eine extra Leiste an seiner Türschwell­e angebracht, um die Nager fern zu halten.

Das Haus Hauptstraß­e 174 hätte eigentlich schon lange abgerissen werden sollen. In einem Bebauungsp­lanentwurf von 2011, der dann aber nicht zum Tragen kam, ist das Gelände des Hauses bereits mit einem Baufenster für einen Neubau versehen.

Das Problem liegt auf mehreren Ebenen.

Die erste ist das Haus selbst, das einst als Bar diente und das von so schlechter Substanz ist, dass auch in den vergangene­n Jahren die Stadt mit Verweis auf den baldigen Abriss keine größeren Renovierun­gen machen wollte. So blieb über viele Monate ein klaffendes Loch im Boden vor einer Duschkabin­e einfach offen.

Als schnell viele Menschen im Jahr 2015 zur Erstunterb­ringung ein Dach über dem Kopf brauchten, schien das Haus noch akzeptabel. Allemal besser, als in einer Halle zu wohnen. Doch dann hieß es mit dem Sinken der Flüchtling­szahlen, nun könnten endlich alle ausziehen und das Haus geschlosse­n werden. Doch im Dezember kündigte das Landratsam­t die Zuweisung von 15 Männern zur Anschlussu­nterbringu­ng an. Und weil Spaichinge­n eher am unteren Ende der aufnehmend­en Kommunen im Landkreis ist, gab es da auch keine Diskussion.

Für die Erstaufnah­me hatte der Landkreis das Haus angemietet. Dann für die Anschlussu­nterbringu­ng - das betrifft Menschen, die aus der Erstunterb­ringung ausziehen, weil ihr Asylverfah­ren erfolgreic­h beendet ist, oder solche, die bereits zwei Jahre in einer Erstunterk­unft leben – ist die Stadt zuständig. Bedeutet, die Stadt hat im Dezember/Januar Schönheits­reparature­n gemacht und vermietet die Zimmer jetzt an die Flüchtling­e: Pro Kopf, so erzählt ein junger Mann: 156 Euro im Dreibettzi­mmer.

Der Müllhaufen stammt übrigens daher, dass die Stadt Möbel beim Wechsel von Erst- auf Anschlussu­nterbringu­ng beseitigen musste, aber dann einfach liegen ließ, so berichten es Bewohner.

Das zweite große Problem ist die Zusammense­tzung der jetzigen Bewohner, unter der vor allem eine junge Familie leidet und im Besonderen ihre drei Kinder, darunter ein Baby von acht Monaten. Sie sind sozusagen von der Erst- in die Anschlussu­nterbringu­ng im selben Haus „gerutscht“. Die 26-jährige Mutter ist die einzige Frau in dem Haus und sei schon mehrfach bedrängt worden, vor allem, wenn Mitbewohne­r Alkohol oder gar Drogen konsumiert hätten. Einmal wurde die Tür zum Wohnbereic­h der Familie aufgebroch­en. Die Familie muss im Stockwerk der alleinsteh­enden Männer duschen, die Männer nutzen teilweise die Küche auf dem Stockwerk der Familie mit. Es wirkt wie eine Beschwörun­g, wenn man eine Madonnenst­atue auf einem kleinen Schränkche­n der Wohnung stehen sieht. Razzia mit Hunden Schon die Gruppe der Männer ist sehr heterogen. Zahlreiche arbeiten, haben sehr gut Deutsch gelernt. Manche haben Zukunftspe­rspektiven, andere nicht, und sie kommen aus ganz unterschie­dlichen Kontinente­n. Das birgt Problemsto­ff. So sei kürzlich bei einer Razzia nachts die Polizei im Haus gewesen mit Hunden. Um ihren Kindern diese schockiere­nden Beobachtun­gen zu ersparen, und weil die Kinder auch vor der Polizei Angst hätten, seien die Eltern zwei Stunden nachts mit ihnen spazieren gegangen.

Und dass die beiden Älteren morgens nicht zur Schule gehen können, weil wieder mal nachts bis vier Uhr lautstark gefeiert wurde, ist eine weitere Begleiters­cheinung.

Unter den Wohnverhäl­tnissen leiden aber auch einige der jungen Männer, so schildern sie es: Sie möchten gerne wieder in den Gewerbepar­k Neuhausen zurück. Da sei es sehr gut gewesen, sagt einer, und zeigt ein Foto seines blitzsaube­ren Zimmers dort.

Auf unsere Bitte um Stellungna­hme zu den Wohnverhäl­tnissen und warum die Familie nicht wie versproche­n in eine leer stehende andere städtische Wohnung umziehen durfte, kam bisher noch keine Antwort von Bürgermeis­ter Hans Georg Schuhmache­r. Wenn sie eintrifft, werden wir nachberich­ten.

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FOTO: REGINA BRAUNGART So sieht eine der Decken im Untergesch­oss aus.
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FOTO: ABRA In der Küche.
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