„Bei unserem Heimatmuseum scheint mir ein gewisser Kommerz zugrunde zu liegen“
TROSSINGEN (sz) - Zu unserem Artikel „Hoffen auf die alte Fotokiste: Das Trossinger Auberlehaus sucht historische und aktuelle Aufnahmen fürs Archiv“in der Ausgabe vom 9. März hat uns ein Leserbrief erreicht: Das Trossinger Auberlehaus sucht alte Fotos, um die Historie sowie den städtebaulichen und gesellschaftlichen Wandel für kommende Generationen greifbar zu machen. Die zentrale Sammlung und Archivierung im Heimatmuseum ist für jeden Trossinger äußerst wünschenswert und absolut richtig. Nur, wie zugänglich sind diese Fotos dann für den Bürger?
Ich selbst betreibe Ahnenforschung seit 2008. Sechs meiner acht Urgroßeltern sind bis ins 16. Jahrhundert in Trossingen und Schura zurück verfolgbar, auch wenn mein Urgroßvater Kunz selbst von Talheim stammt. So fragte auch ich vor einiger Zeit im Heimatmuseum nach, ob es Fotos der Häuser meiner Vorfahren gibt und ob ich diese einsehen und suchen kann. Dass ich sieben Wochen gar keine Antwort bekam möchte ich nicht überbewerten, auf erneute Nachfrage wurde mir mitgeteilt, dass Eigenrecherchen nicht zugelassen sind, Fotos aber zu folgenden Konditionen erstanden werden können: Rechercheaufwand je angefangene halbe Stunde 15 Euro, Reproduktion pro Foto 7,50 Euro und für den USB-Stick weitere 15 Euro. Je nach Suchaufwand kommen somit für zehn Fotos schätzungsweise zwischen 120 und 150 Euro zusammen, was kaum jemand privat bezahlen wird.
Man mag nun entgegnen, dass die Museumshelfer ehrenamtlich tätig sind und Eigenrecherchen die wie auch immer geartete Archivierungssystematik durcheinander bringen könnten. Hierzu würde ich meine fast durchweg positive Erfahrung bei der Recherche von alten und sicherlich sehr wertvollen Kirchenbüchern auf den evangelischen Pfarrämtern wiedergeben wollen. Allen voran auf dem Trossinger Pfarramt, wo Karl Martin Ruff mit außergewöhnlichem Engagement bei der Recherche hilft, wofür ich ihm von Herzen überaus dankbar bin. Die gleiche Erfahrung habe ich aber auch in Schura, Talheim, Tuningen, Hausen o. V., Schwenningen und anderen Pfarrämtern gemacht. Im landeskirchlichen Zentralarchiv in Stuttgart-Möhringen bezahlt man vergleichsweise lächerliche acht Euro, um einen gesamten Tag (!) die Mikrofilme selbst (!!) aus dem Archiv zu holen und durchsuchen zu können. Mir ist nicht bekannt, dass jemand unsachgemäß damit umgeht. Der Ausdruck einer Seite kostet dort im Übrigen 0,80 Euro.
Bei unserem Heimatmuseum scheint mir somit doch ein gewisser Kommerz zugrunde zu liegen, und wenn die Bewahrung alter Fotos für zukünftige Generationen so aussieht, dass diese als Buch-Publikation im Museumsshop zu kaufen sind, scheint mir dies zu kurz gesprungen – auch wenn ich diese Bücher zugegebenermaßen selbst gekauft habe und empfehlen kann, weil sie sehr schön und interessant aufgemacht sind.
Jetzt liest man „die umfangreichen Archive des Auberlehauses sollen ausgebaut werden“, um den Wandel in der Stadt „für kommende Generationen begreifbar zu machen“. Wie soll dies gehen, wenn die Archive heute schon nicht zugänglich sind? In diesem Zusammenhang verweise ich gerne auf eine der größten Sammlungen von Karl Demetz Bildern, ein 1909 in Trossingen geborener und im süddeutschen Raum weithin bekannter Tierund Landschaftsmaler, dessen Gemälde in den Archiven des Museums schlummern und leider selten jemand zu Gesicht bekommt. Seine Gemälde spiegeln unseren Generationenwandel auf der Baar wie bei kaum einem anderen Maler. Sein Vermächtnis verblasst zusehends – kaum einer der jüngeren Bürger kennt ihn noch.
Dass dem einheimischen Trossinger der Zugang zu den Archiven verwehrt wird ist doppelt ärgerlich, wenn die eigene Familie selbst schon historische Stücke gespendet hat. Von meinem Großvater und Schuhmacher Hans Kunz – dem „SchusterBuchte“– wurde dem Museum die gesamte Werkstatteinrichtung angeboten, und teilweise ging diese auch in dessen Besitz über.
Meiner Meinung nach sollte es für Museum und Geschichtsinteressierte ein Geben und Nehmen, oder wie es heutzutage so schön heißt eine Win-win-Situation sein, damit jeder seine alten Schätze gerne an das Museum gibt. Dahingehend sollte die Museums-Philosophie nochmal überdacht werden. Auf Basis der aktuellen bekommt das Museum zumindest meine Fotos nicht.