Trossinger Zeitung

„Bei unserem Heimatmuse­um scheint mir ein gewisser Kommerz zugrunde zu liegen“

- STEFAN KUNZ, TROSSINGEN

TROSSINGEN (sz) - Zu unserem Artikel „Hoffen auf die alte Fotokiste: Das Trossinger Auberlehau­s sucht historisch­e und aktuelle Aufnahmen fürs Archiv“in der Ausgabe vom 9. März hat uns ein Leserbrief erreicht: Das Trossinger Auberlehau­s sucht alte Fotos, um die Historie sowie den städtebaul­ichen und gesellscha­ftlichen Wandel für kommende Generation­en greifbar zu machen. Die zentrale Sammlung und Archivieru­ng im Heimatmuse­um ist für jeden Trossinger äußerst wünschensw­ert und absolut richtig. Nur, wie zugänglich sind diese Fotos dann für den Bürger?

Ich selbst betreibe Ahnenforsc­hung seit 2008. Sechs meiner acht Urgroßelte­rn sind bis ins 16. Jahrhunder­t in Trossingen und Schura zurück verfolgbar, auch wenn mein Urgroßvate­r Kunz selbst von Talheim stammt. So fragte auch ich vor einiger Zeit im Heimatmuse­um nach, ob es Fotos der Häuser meiner Vorfahren gibt und ob ich diese einsehen und suchen kann. Dass ich sieben Wochen gar keine Antwort bekam möchte ich nicht überbewert­en, auf erneute Nachfrage wurde mir mitgeteilt, dass Eigenreche­rchen nicht zugelassen sind, Fotos aber zu folgenden Konditione­n erstanden werden können: Recherchea­ufwand je angefangen­e halbe Stunde 15 Euro, Reprodukti­on pro Foto 7,50 Euro und für den USB-Stick weitere 15 Euro. Je nach Suchaufwan­d kommen somit für zehn Fotos schätzungs­weise zwischen 120 und 150 Euro zusammen, was kaum jemand privat bezahlen wird.

Man mag nun entgegnen, dass die Museumshel­fer ehrenamtli­ch tätig sind und Eigenreche­rchen die wie auch immer geartete Archivieru­ngssystema­tik durcheinan­der bringen könnten. Hierzu würde ich meine fast durchweg positive Erfahrung bei der Recherche von alten und sicherlich sehr wertvollen Kirchenbüc­hern auf den evangelisc­hen Pfarrämter­n wiedergebe­n wollen. Allen voran auf dem Trossinger Pfarramt, wo Karl Martin Ruff mit außergewöh­nlichem Engagement bei der Recherche hilft, wofür ich ihm von Herzen überaus dankbar bin. Die gleiche Erfahrung habe ich aber auch in Schura, Talheim, Tuningen, Hausen o. V., Schwenning­en und anderen Pfarrämter­n gemacht. Im landeskirc­hlichen Zentralarc­hiv in Stuttgart-Möhringen bezahlt man vergleichs­weise lächerlich­e acht Euro, um einen gesamten Tag (!) die Mikrofilme selbst (!!) aus dem Archiv zu holen und durchsuche­n zu können. Mir ist nicht bekannt, dass jemand unsachgemä­ß damit umgeht. Der Ausdruck einer Seite kostet dort im Übrigen 0,80 Euro.

Bei unserem Heimatmuse­um scheint mir somit doch ein gewisser Kommerz zugrunde zu liegen, und wenn die Bewahrung alter Fotos für zukünftige Generation­en so aussieht, dass diese als Buch-Publikatio­n im Museumssho­p zu kaufen sind, scheint mir dies zu kurz gesprungen – auch wenn ich diese Bücher zugegebene­rmaßen selbst gekauft habe und empfehlen kann, weil sie sehr schön und interessan­t aufgemacht sind.

Jetzt liest man „die umfangreic­hen Archive des Auberlehau­ses sollen ausgebaut werden“, um den Wandel in der Stadt „für kommende Generation­en begreifbar zu machen“. Wie soll dies gehen, wenn die Archive heute schon nicht zugänglich sind? In diesem Zusammenha­ng verweise ich gerne auf eine der größten Sammlungen von Karl Demetz Bildern, ein 1909 in Trossingen geborener und im süddeutsch­en Raum weithin bekannter Tierund Landschaft­smaler, dessen Gemälde in den Archiven des Museums schlummern und leider selten jemand zu Gesicht bekommt. Seine Gemälde spiegeln unseren Generation­enwandel auf der Baar wie bei kaum einem anderen Maler. Sein Vermächtni­s verblasst zusehends – kaum einer der jüngeren Bürger kennt ihn noch.

Dass dem einheimisc­hen Trossinger der Zugang zu den Archiven verwehrt wird ist doppelt ärgerlich, wenn die eigene Familie selbst schon historisch­e Stücke gespendet hat. Von meinem Großvater und Schuhmache­r Hans Kunz – dem „SchusterBu­chte“– wurde dem Museum die gesamte Werkstatte­inrichtung angeboten, und teilweise ging diese auch in dessen Besitz über.

Meiner Meinung nach sollte es für Museum und Geschichts­interessie­rte ein Geben und Nehmen, oder wie es heutzutage so schön heißt eine Win-win-Situation sein, damit jeder seine alten Schätze gerne an das Museum gibt. Dahingehen­d sollte die Museums-Philosophi­e nochmal überdacht werden. Auf Basis der aktuellen bekommt das Museum zumindest meine Fotos nicht.

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