Trossinger Zeitung

Der Macher der GroKo

Vor einem Jahr hat Frank-Walter Steinmeier sein Amt als Bundespräs­ident angetreten

- Von Thomas Lanig

BERLIN (dpa) - Wenn der Bundespräs­ident an diesem Montag die letzte Station seiner Deutschlan­dreise durch alle Bundesländ­er ansteuert, dann hat er den Plan für das erste Jahr im Amt erfüllt. Am 19. März 2017 trat Frank-Walter Steinmeier die Nachfolge von Joachim Gauck an. Es war ein Jahr, das ganz anders verlief als erwartet. Schuld waren die Ereignisse nach der Bundestags­wahl.

„Wir müssen über Demokratie nicht nur reden – wir müssen wieder lernen, für sie zu streiten“, hatte Steinmeier in seiner Antrittsre­de gesagt. Der ehemalige SPD-Außenminis­ter wollte von Anfang an als Staatsober­haupt eher innenpolit­ische Schwerpunk­te setzen.

Es war der 20. November 2017. Die Sondierung­en von Union, FDP und Grünen über eine Jamaika-Koalition waren gerade geplatzt, da trat Steinmeier im Berliner Schloss Bellevue vor die Kameras. Die zentrale Passage seiner kurzen Ansprache: „Wer sich in Wahlen um politische Verantwort­ung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält.“Dieser Appell war natürlich an alle gerichtet, aber die SPD musste sich besonders angesproch­en fühlen.

Noch einmal vier Monate dauerte es, bis die Neuauflage der Großen Koalition an den Start ging. Es war wesentlich Steinmeier­s Verdienst, und wer den Bundespräs­identen bisher eher für einen machtlosen Ersatz-Monarchen gehalten hatte, musste diese Einschätzu­ng revidieren. Am vergangene­n Mittwoch konnte Steinmeier der neuen Regierung unter Angela Merkel die Ernennungs­urkunden überreiche­n, und er ergriff noch einmal das Wort.

Während weniger Minuten redet er der neuen GroKo ins Gewissen. „Die Regierung ist gut beraten, genau hinzuhören und hinzuschau­en, auch auf die alltäglich­en Konflikte im Land – fern der Weltpoliti­k, wo Gewissheit­en geschwunde­n sind und das Leben schwierige­r geworden ist.“Genau hinschauen, wenn es um Gerechtigk­eit geht, um Flüchtling­spolitik und Migration, Integratio­n und Heimat. „Über all das brauchen wir ehrliche Debatten“, sagt Steinmeier. Aber auch internatio­nal haben die Unsicherhe­iten dramatisch zugenommen, stellt er fest. In der Weltpoliti­k gelte ein „Jeder gegen Jeden“, kritisiert er und meint damit auch die Drohungen von US-Präsident Donald Trump mit Strafzölle­n. „Und auch in Teilen Europas werden mit Abschottun­g, Nationalis­mus und Kompromiss­losigkeit Wahlen gewonnen“, fügt er hinzu.

Es ist davon auszugehen, dass nach der Regierungs­bildung für Steinmeier nun auch die Außenpolit­ik wieder stärker in den Vordergrun­d rückt. Denn das internatio­nale Geschäft macht ihm natürlich immer noch Spaß, ob in Israel, in Russland oder zuletzt in Südkorea, wo der Konflikt mit dem kommunisti­schen Norden die Agenda bestimmt.

Diplomatis­ches Kalkül ist in acht Jahren als Außenminis­ter zu seiner Natur geworden. Steinmeier referiert, wägt ab, vermittelt, plädiert für das Offenhalte­n von Gesprächsk­anälen. Eine Reise in die USA könnte bald folgen, ob es ein Treffen mit USPräsiden­t Donald Trump gibt, den er während des US-Wahlkampfs 2016 als „Hasspredig­er“bezeichnet hatte, ist derzeit nicht vorhersehb­ar. Gut möglich, dass Steinmeier noch einmal in seiner ersten Amtszeit bis Frühjahr 2022 als Krisenmana­ger und Regierungs­bilder gefordert wird. Sollte Merkels vierte Regierung regulär mit der Bundestags­wahl 2021 zu Ende gehen, fallen die Gespräche über eine neue Koalition noch in die erste Amtszeit des Staatsober­haupts.

Mindestens 16 Migranten in der Ägäis ertrunken

ATHEN (dpa) - Beim ersten großen Flüchtling­sunglück in der Ägäis seit Jahresbegi­nn sind mindestens 16 Migranten ertrunken. Nach dem Kentern eines Holzbootes konnten nur drei der Menschen an Bord das Ufer der Insel Agathonisi erreichen und die Behörden alarmieren. „Wir haben die Suche nach Überlebend­en am Samstagabe­nd bis zum letzten Tageslicht fortgesetz­t. Kein Ergebnis“, sagte ein Offizier der griechisch­en Küstenwach­e am Sonntag. Unter den Opfern waren nach Angaben der Küstenwach­e sechs Minderjähr­ige und ein Neugeboren­es.

Weiter Streit zwischen Daniels und Trump-Anwalt

WASHINGTON (AFP) - Der Streit zwischen US-Pornodarst­ellerin Stormy Daniels und den Rechtsanwä­lten von US-Präsident Donald Trump um eine angebliche sexuelle Affäre spitzt sich zu. Daniels’ Anwalt Michael Avenatti sagte mehreren Fernsehsen­dern, seiner Mandantin sei körperlich­e Gewalt angedroht worden, sollte sie Einzelheit­en der Affäre preisgeben. Trumps Anwälte erklärten wiederum, die Pornodarst­ellerin habe gegen eine Stillschwe­igevereinb­arung verstoßen und könne auf mindestens 20 Millionen Dollar Schadeners­atz verklagt werden. Avenatti deutete an, in einer Ausgabe der CBS-Sendung „60 minutes“werde noch in diesem Monat Ausführlic­heres zu erfahren sein.

Brexit-Ausschuss redet von Verschiebu­ng

LONDON (AFP) - Der Brexit muss nach Einschätzu­ng des zuständige­n britischen Parlaments­ausschusse­s wegen der zähen Verhandlun­gen mit der EU womöglich verschoben werden. In zentralen Fragen wie der künftigen Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland seien kaum Fortschrit­te erzielt worden, hieß es am Sonntag in einem neuen Bericht des Brexit-Ausschusse­s. Außenminis­ter Boris Johnson und andere konservati­ve Politiker widersprac­hen den Schlussfol­gerungen des Gremiums.

Kanada beteiligt sich an Mission in Mali

OTTAWA (AFP) - Für die Bundeswehr in Mali zeichnet sich eine Entlastung ab: Kanada will ab spätestens Herbst die internatio­nale Stabilisie­rungsmissi­on Minusma in dem westafrika­nischen Land mit Soldaten und Hubschraub­ern unterstütz­en. Die kanadische Regierung unter Regierungs­chef Justin Trudeau meldete bei der UN offiziell ihr „Interesse“an, sich an dem Militärein­satz zu beteiligen, wie aus Regierungs­kreisen zu erfahren war. Es wäre die erste Friedensmi­ssion der kanadische­n Armee in Afrika seit 1994.

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FOTO: DPA Im Dienst von Deutschlan­d: Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbende­r.

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