Prozess gegen Friedensaktivist startet als Farce
Hermann Theisen und Heckler&Koch stehen sich vor Gericht gegenüber
OBERNDORF (sbo) - Unterm Strich geht es um zehn Minuten – zehn Minuten, in denen sich Hermann Theisen weigerte, nach Aufforderung das Heckler&Koch-Gelände zu verlassen. Wegen Hausfriedensbruchs stand er deshalb nun vor Gericht. Ein Urteil gibt es vorerst nicht.
Ohne Anwalt, mit dickem Ordner und unter regem Medieninteresse, war der Friedensaktivist Hermann Theisen im Saal erschienen. Im Gepäck hatte er auch das blaue Flugblatt, um dessen Verteilung es ging. Und Amtsgerichtsdirektor Wolfgang Heuer machte gleich unmissverständlich klar, dass es in der Verhandlung nicht um den Inhalt dieses Flugblatts geht. Dazu habe er seine Rechtsauffassung bereits kundgetan. Er hält dessen Inhalt, der H&K-Mitarbeiter zum Whistleblowing aufruft, für vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Theisen legte seine Beweggründe dennoch ausführlich dar. Schließlich sei seine Motivation wichtig, so seine Meinung.
Angesichts dieser juristischen Vorgeschichte hatte Heuer dem Angeklagten im Vorfeld zunächst angeboten, das Verfahren einzustellen. Ohne eine Geldauflage. Dies hatte Theisen abgelehnt. Oberstaatsanwalt Christoph Kalkschmid hatte schließlich Strafantrag gestellt und später in Aussicht gestellt, das Verfahren gegen eine Geldbuße einzustellen. Das lehnte Theisen ab. Das Gericht erließ den Strafbefehl, und der Friedensaktivist bekannte sich vor Gericht unschuldig. Seine Flugblätter habe er auf dem Parkplatz und vor der Schranke an der Pforte verteilt, die damals noch weiter hinten angebracht war. Ein Schild, das auf das Firmengelände hinwies und das Betreten Unbefugter untersagte, will er erst später gesehen haben.
Der Aufforderung durch einen Mitarbeiter des Werkschutzes, das Gelände zu verlassen, sei der Angeklagte nicht nachgekommen, so der Vorwurf. Erst als die Polizei kam, einen Platzverweis aussprach und bei Zuwiderhandlung mit einer Festnahme drohte, ging er. Gelächter und ein fassungsloser Richter Die Zeugenaussage des Leiters der H&K-Rechtsabteilung, Hans-Peter Miller, führte im Gerichtssaal unter den Prozessbeobachtern zu spontanem Applaus und Gelächter, weshalb Heuer drei Männer des Saals verwies. Sie entschuldigten sich und durften später wieder hereinkommen. Grund für das „ungebührliche Verhalten“war die Erklärung des ExJustiziars des Unternehmens, er habe selbst nicht so genau gewusst, wo die Grundstückgrenze verlaufe. Zudem brachte er verschiedene Flugblattaktionen an unterschiedlichen Tagen durcheinander. Ohne nochmals Einsicht in die Unterlagen zu nehmen, war er vor Gericht erschienen. Auf Heuers Frage hin, ob er im Streit von seinem Arbeitgeber geschieden sei und sich deshalb nicht vorbereitet habe, antwortete Miller: „Ja, es gab verschiedene Verfahren.“
Am Ende musste er auf hartnäckiges Nachhaken des „fassungslosen“Richters Heuer hin einräumen, dass die Strafanzeige falsch formuliert war. Denn dort war die Rede davon, der Angeklagte sei vom Werkschutz mit dem Hinweis auf Hausverbot vom Gelände geschickt worden. Miller erklärte jedoch später, die Dienstanweisung des Werkschutzes beinhalte die Berechtigung, dass dessen Mitarbeiter Unbefugte vom Gelände schicken können – auch ohne ein Hausverbot, welches nur von der Geschäftsleitung ausgesprochen werden konnte. Ob dieser feine Unterschied am Ende für die Urteilsfindung relevant ist, ließ Heuer dahingestellt.
Wieder bot er Einstellung an, wieder verweigerten beide Seiten. Am 9. April wird weiterverhandelt.