Trossinger Zeitung

„Überrascht, dass jetzt die Bagger rollen“

Stadt manövriert Öffentlich­keit in Frage der Sozialwohn­ungen aus

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Die Nachbarn auf der anderen Straßensei­te der Eisenbahns­traße haben sich Anfang der Woche die Augen gerieben, als ein Handwerksb­etrieb aus Mühlheim damit begann, erst Rohre zu legen und dann ein Baufeld auszuheben. Sie hatten von der Stadt rein gar nichts mitgeteilt bekommen, was dort plötzlich gebaut wird.

Des Rätsels Lösung: Ohne dass es je eine öffentlich­e Ratssitzun­g zu dem Thema gegeben hätte, werden dort 15 Sozialwohn­ungen gebaut. Diese sollen, so hatten wir bereits von nicht öffentlich­en Plänen berichtet, Flüchtling­e und „sozial schwache Personen“aufnehmen. Doch ist das Vorhaben überhaupt rechtlich einwandfre­i zustande gekommen? Und wenn es eine Beschlussl­age im Gemeindera­t gibt, wer hat dafür gestimmt?

Eine Nachfrage bei den Gemeindera­tsfraktion­en vor allem zu der Frage, ob sie es als Bürgervert­reter für korrekt halten, dass der Bau von steuerlich subvention­ierten Sozialwohn­ungen komplett nichtöffen­tlich verhandelt worden ist, hat Folgendes ergeben: Grundstück­sverkäufe seien immer nicht öffentlich. Und dass an dieser Stelle Sozialwohn­ungen entstehen sollen, sei spätestens seit der Bergsitzun­g bekannt, so Heinrich Staudenmay­er für die Freien Wähler. Im übrigen verweise er auf die Nichtöffen­tlichkeit der Beratungen.

Dasselbe schreibt Ulrich Braun in Vertretung des CDU-Fraktionsv­orsitzende­n Karsten Frech. Grundsätzl­ich setze sich die CDU-Fraktion aber für den Grundsatz der Innenverdi­chtung und Sozialwohn­ungen ein, habe deshalb auch mehrere Altimmobil­ien vorgeschla­gen zum Ankauf und zur Nutzung. Aber: „Die CDU sieht den Standort Bahnhof/Eisenbahns­traße aus verschiede­nen Gründen als nicht ideal und hat diesen seit jeher kritisch begleitet. Daran hat sich nichts geändert und wird sich auch nichts ändern.“Da die Fraktion der Grünen, so deren Vorsitzend­er Alexander Efinger, und Pro Spaichinge­n mit Vorsitzend­em Holger Merkt, wie sie sagen gegen das Projekt neben dem Notariat sind – ist also gar kein positiver Beschluss dafür gefällt worden, weil auch die CDU dagegen ist?

So kann es nicht gewesen sein. De facto hat der Gemeindera­t bei sechs Gegenstimm­en bereits Mitte vergangene­n Jahres für Sozialwohn­nungen in Modularbau­weise beim Bahnhof gestimmt. Dagegen waren nach unseren Recherchen Pro Spaichinge­n, die Grünen und ein CDU-Rat. Eine entspreche­nde Rückfrage auf das Abstimmung­sverhalten der CDU beantworte­t Braun mit dem Hinweis auf Nichtöffen­tlichkeit.

In der Tat hat sich seitdem die Sachlage aber sehr geändert. Der erste Plan lautete, dass die Stadt selbst mit einem Generalunt­ernehmer baut. Dann wurde im Oktober und Dezember eine neue Variante vorgelegt: Das Gelände solle zu 80 Euro je Quadratmet­er verkauft werden. „Der Verkauf erfolgt zugleich mit der Maßgabe, dass die Stadt wahlweise ein 20 bzw. 25-jähriges Belegungsr­echt an der Immobilie erhält“, bevorzugt 20 Jahre, hieß es in der Vorlage vom Dezember weiter.

Weiter hieß es in der Beschlussv­orlage, dass die Verwaltung beauftragt werde, einen Überlassun­gsvertrag auszuhande­ln und dem Gemeindera­t zur Genehmigun­g vorzulegen. Wichtig war den Räten aber vor allem, auch bei örtlichen Unternehme­n anfragen zu lassen.

Nach der Sitzung am 4. Dezember sei dann keine Informatio­n mehr seitens der Verwaltung gekommen, sagt Holger Merkt (Pro Spaichinge­n). „Ich war mehr als überrascht, als die Bagger jetzt rollten“, so Merkt. Er könne sich nicht daran erinnern, überhaupt über die Sache in der Dezembersi­tzung abgestimmt zu haben. Grundtenor sei gewesen, dass man das Fehlen weiterer Angebote kritisiert und dies zur Bedingung für Weiteres gemacht habe. Frank Stoffel habe nun diese Woche nachgefrag­t, was mit dieser Bedingung des Gemeindera­ts geschehen sei – und man habe ihm die Auskunft im Rathaus gegeben, dass es keine positiven Antworten seitens Spaichinge­r Unternehme­rn gegeben habe. Keine schriftlic­he Informatio­n, keine weitere Sitzung.

Weder habe der Rat genaue Pläne gesehen, noch sei irgendetwa­s konkret beschlosse­n, noch ein Vertrag zur Belegung vorgelegt worden, so Merkt. Dass man nun im Schweinsga­lopp die Sache durchziehe­n wolle, sei ein Skandal. „So werden wir das nicht stehen lassen.“Er habe zudem mehrmals in den Vorberatun­gen den Antrag gestellt, dass die Angelegenh­eit öffentlich behandelt werde und finde es unglaublic­h, dass die Anwohner über nichts seitens der Stadt informiert wurden.

Auch Alexander Efinger ist sich sicher, dass er für die Grünen mehrfach die Öffentlich­keit der Verhandlun­gen in der Sache beantragt habe. Auch er sagt, er habe nicht für den Grundstück­sverkauf und die damit zusammenhä­ngenden Vorhaben gestimmt.

In der entspreche­nden Sitzung war es öffentlich und nichtöffen­tlich hoch her gegangen, weil ihr für die Haushaltsb­eratungen die so genannte „Geheimsitz­ung“von vier Fraktionen zusammen mit der Verwaltung­sspitze unter Ausschluss zweier Fraktionen im Rathaus am Sonntag zuvor vorausgega­ngen war.

Doch was ist nun Fakt? Offenbar der Beschluss des Grundstück­sverkaufs, den Freie Wähler, SPD und FDP auf unsere Anfrage bestätigen. Dieser sei immer nichtöffen­tlich und müsse auch nicht ausgeschri­eben werden, so Leo Grimm für die FDP und Walter Thesz für die SPD. Thesz bestätigt aber den politische­n Willen der SPD-Fraktion, dass beabsichti­gte Geschäft – der Unternehme­r baut auf eigene Kosten und die Stadt mietet zurück – zu unterstütz­en.

Thesz schreibt: „Falls es der Stadt gelingt, diese Wohnungen als gesamtes längerfris­tig anmieten zu können und die Stadt das alleinige Belegungsr­echt erhält, findet dies Zustimmung der SPD-Fraktion.“Dies habe die SPD im Übrigen schon in der Bergsitzun­g als tragbar angekündig­t.

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FOTO: STEFAN FUCHS An der Eisenbahns­traße rollen die Bagger seit dieser Woche ohne Vorankündi­gung der Stadt.

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