Herrschen heißt dienen, nicht untertan machen
egeistert jubelten sie ihm zu, brachen Zweige von den Bäumen, legten Kleider auf den Weg und begrüßten ihn wie einen König. Mit „Hosianna“-Rufen begleiteten sie seinen Einzug in Jerusalem. Und dann kam er: Nicht in einer schwarzen Kutsche, vielmehr auf einem Esel, nicht mit Dienern und einer Kohorte von Leibwächtern, vielmehr mit dem bunten Haufen seiner Jünger, nicht mit Pomp und Glanz sondern so, wie man ihn kannte: ein Mensch, der die Herrschaft nicht für sich beanspruchte, sondern dienen wollte. Einer, der auf Sanftmut und Friedfertigkeit setzte anstatt auf Macht und Stärke.
Welch ein Gegensatz zu den egomanen Herrschern unserer Zeit, wie Trump, Putin und Erdogan, deren Posen und Reden keinen Zweifel daran lassen, dass sie selbst (und nur sie) Führer ihres Landes sein wollen und niemanden neben sich dulden. „Wer ist der?“– so fragten sie in Jerusalem. Die Frage geht an uns: Wer ist dieser Jesus und wer ist er für uns?
Ein guter Mensch aus längst vergangener Zeit? Ein Freund auf dem Weg, der mich auch heute in meinem Leben begleitet? Ein Vorbild in Sachen Menschlichkeit? Einer, der meinem Leben Ziel und Richtung gibt? Der, dem ich folgen mag und dem ich vertraue im Leben und Tod? Der Sohn Gottes, mein Erlöser?
Wenn wir am Sonntag an den Einzug Jesu in Jerusalem denken, wenn wir unsere Kirchen mit Palmzweigen schmücken, dann stellt sich diese Frage, wer er für uns ist und was das bedeutet, wenn er bei uns einzieht. Seine Jünger wähnen sich schon als Minister an seiner Seite, er aber sagt: „Wer der Erste sein will, sei aller Diener“. Das müssen wir uns als Christen bewahren, vielleicht auch neu lernen: Dass herrschen dienen heißt und nicht „untertan machen“und dass die Führer dieser Welt unsere Unterstützung nur dann bekommen, wenn sie auf Frieden und Gerechtigkeit setzen, anstatt auf Macht und Gewalt. Matthias Kohler ist Pfarrer der Auferstehungskirche in Tuttlingen