Wozu dienen zwei geladene Waffen?
Heuberger dealt, um seine Kokainsucht zu finanzieren – Angeklagter will in Entzugsklinik
ROTTWEIL - Wie lange ein heute 52jähriger Mann aus einer Heuberggemeinde inhaftiert wird und ob er statt ins Gefängnis direkt eine Drogen-Entziehungskur als Unterbringung antreten darf, das wird das Schöffengericht unter Leitung des Vorsitzenden Richters im Landgericht, Karl-Heinz Münzer, am heutigen Donnerstag entscheiden. Anklage wegen bewaffneten Drogenhandels mit nicht geringen Mengen, Befragung, Beweisaufnahme und Plädoyers konnten Gericht und Zeugen in nur einem Sitzungstag am Montag abarbeiten.
Der Mann war verhaftet worden, als nach einer Zeugenaussage in einem anderen Drogenfall in einer Kreisgemeinde die Ermittler auf den Heuberger als Dealer aufmerksam wurden. Im September 2017 gab es dann eine Hausdurchsuchung. Bei der wurden nicht nur 474 Konsumeinheiten Kokain und 1447 Konsumeinheiten Haschisch gefunden, sondern auch eine halbautomatische Schusswaffe und ein Revolver nebst Munition.
Daher drehte sich die Verhandlung vor allem um zwei Dinge: Bedeutete das gemeinsame Lagern von schussbereiten Waffen und Drogen auch, dass damit die Drogengeschäfte abgesichert werden sollten, wie vom Staatsanwalt auch in seinem Schlussplädoyer als erwiesen angesehen? Oder hatte der Angeklagte die Waffen tatsächlich 2016 gekauft, um seine Lebensgefährtin und ihr Kind zu beschützen, die sich von Nachbarn bedroht sahen, wie der Angeklagte sagte? Und er die Drogengeschäfte sowieso wegen Mitgliedern der Familie, die jederzeit hätten hereinkommen können, im Heizungsraum abgewickelt habe?
Entsprechend wichtig war denn auch eine Zeugenaussage einer Frau, die ihren damaligen Freund einmal zu einem Kauf auf den Heuberg begleitet habe und bestätigte, dass das Drogengeschäft in dem KellerWohnraum stattgefunden habe, wo auch die Waffen in einem Schreibtisch und einem Schrank lagerten. Über dieses Verfahren gegen den Freund - dabei ging es offenbar um Drogen, die im Haus der Frau ohne ihr Wissen versteckt waren - sind die Beamten auf den Heuberger gekommen.
Woher er wiederum die Drogen hatte, mit denen er handelte, um sich seine eigene Kokainsucht zu finanzieren, wollte er nicht sagen. Er habe Angst vor diesen Leuten. Er selbst habe seine eigenen Drogengeschäfte überhaupt nicht absichern müssen, weil er einen langjährigen Kundenstamm von etwa 20 Altbekannten gehabt habe, die wiederum alle älter als 40 Jahre gewesen seien. „Psychopathen“seien da nicht drunter gewesen.
Die zweite wichtige Frage war: Kommt eine Unterbringung in einer Klinik zum Entzug in Frage?
Sowohl in einer von Verteidigerin Miriam Mager verlesenen Erklärung als auch in seinen eigenen Erläuterungen und in dem Gutachten des forensischen Pychiaters und Psychologen Dr. Stephan Bork kam deutlich zum Ausdruck, dass der Mann eine vor allem durch Alkohol verkorkste Laufbahn als Jugendlicher eingeschlagen hatte. Schulwechsel, abgebrochene Ausbildung, Jobs und dann doch beendete Ausbildung; mehrfache Verfahren wegen Drogenhandels und -schmuggels sowie anderer Delikte – alles in der Folge einer mit 14 Jahren eingeschlagenen Alkoholikerkarriere. Warum? Die Eltern sind angesehene Leute, bürgerliche Existenz, Geschwister, mit denen er sich heute gut verstehe. Als Jugendlicher war das nicht so. Dem Vater habe er nie etwas recht machen können, erzählt der große, grauhaarige Mann.
Er ist in Untersuchungshaft, wurde in Fußfesseln hereingeführt. Doch schnell bat der Richter den Justizbeamten, ihm diese abzunehmen. In Folge des Alkoholmissbrauchs sind auch sein Herz und andere Organe geschädigt. „Ein chronisch schwer kranker Mann“sei er, bescheinigt der Gutachter. Psychiatrisch auffällig sei nur die Suchtmittelproblematik. Er hatte bereits in seinen 20ern begonnen, Kokain zu nehmen und dann, als er wegen seiner Herzschwäche Aufputschmittel suchte, verstärkt Kokain konsumiert. „Regelmäßiger, häufiger“Kokainkonsum ergibt laut Gutachten die Analyse seiner Haare.
Der Gutachter befürwortet in allen Punkten eine Unterbringung mit Entziehung. „Mit Liebe allein werden Sie auf das Kokain nicht verzichten können.“Denn seine Freundin, die inzwischen sogar in die Heuberggemeinde gezogen ist, steht felsenfest zu ihm, wie sie in ihrer Aussage mit vielen liebevollen Worten bekräftigt. Sein Umzug zu ihr war beschlossene Sache. Die Freundin: „Wir waren dran, eine schöne kleine Familie zu werden, und dann kommt so eine Scheiße.“ Wie die Konsequenzen tatsächlich sein werden, wird heute um 11 Uhr in Rottweil verkündet.