Gericht gibt Drogendealer neue Chance
Vier Jahre Haft kann durch angeordneten Entzug deutlich verkürzt werden
ROTTWEIL - Bewaffnetes Handeltreiben mit Drogen, Besitz von Drogen und Waffen sowie Munition: Zu vier Jahren Gefängnis und angeordneter Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat die Schwurgerichtskammer am Landgericht einen 52-jährigen Heuberger am Donnerstag verurteilt. Noch im Gerichtssaal nahmen der Verurteilte und die Staatsanwaltschaft das Urteil an. Es ist rechtskräftig. Urteil schon rechtskräftig Ehe die Kammer unter Leitung des Vorsitzenden Richters am Landgericht Karl-Heinz Münzer ihr Urteil fällte, trat sie nochmal in die Beweisaufnahme ein. Das weitere Verbrechen des Besitzes von Betäubungsmitteln in erheblichen Mengen könnte in die Strafzumessung einfließen. Den ebenso strafbaren Erwerb der Waffen und der Munition schloss das Gericht wegen des Gesamtbildes aus der Strafzumessung aber aus.
Staatsanwalt Achim Ruetz hatte genau das im Urteil festgestellte Strafmaß gefordert, während Verteidigerin Miriam Mager zwei Jahre gefordert hatte, weil es sich nicht um bewaffneten Handel gehandelt habe.
Das Urteil bedeutet für den durch den Drogenkonsum körperlich schwer kranken Mann, dass er noch einmal eine Chance bekommt, sein Leben in die richtigen Bahnen zu lenken. Denn seit Ende September in Untersuchungshaft, seitdem drogenfrei und sich stabilisierend, eine womöglich mehrere Monate dauernde Vorbereitung und dann eine rund 1,5 Jahre andauernde Drogentherapie bedeuten, dass nach deren Abschluss die Hälfte der Haftzeit überschritten ist und er danach auf Bewährung entlassen werden kann.
Richter Karl-Heinz Münzer zeichnete in seiner Urteilsbegründung den Lebensweg des Mannes mit frühem Alkoholmissbrauch in der Jugend, Schulwechsel, Jobs, Drogen, mehrfachen Strafverfahren, einer Stabilisierungsphase und schließlich Rückfall und körperlicher Zerfall nach. Dies nicht wegen der juristischen Bewertung. „Makelloses Register“Die vorherigen Verurteilungen sind aus dem Register getilgt, das daher „makellos“sei. Sondern, weil durch das Nachvollziehen des jahrzehntelangen Alkohol- und Drogenkonsums und den zeitweiligen erfolgreiche Kampf dagegen abzuschätzen war, ob ein Maßregelvollzug angemessen und erfolgversprechend sein würde.
Das Leben des 52-Jährigen berge eine „gewisse Tragik“, so Münzer. Kokain sei verantwortlich für psychische Veränderungen und körperlichen Zerfall bis hin zum Herzstillstand und habe die höchste psychische Abhängigkeit unter allen Drogen zur Folge. Trotzdem gehöre die angeklagte Tat zu den schwersten Straftaten im Betäubungsmittel Strafrecht und nur durch die Besonderheiten der Umstände habe die Kammer einen minderschweren Fall und damit keine höhere Strafe annehmen können.
Nicht nur die Zerstörung des Körpers, auch eine gewisse soziale Trostlosigkeit des 52-Jährigen sprach aus den Schilderungen Münzers – letztlich im Keller des elterlichen Hauses mit Tisch, Bett, Schrank, Staub lebend und gleichzeitig hohem Kokainkonsum. „Was da an Finanzbedarf entsteht, kann man sich vorstellen.“Das ist letztlich mit ein Grund, warum der 52-Jährige von den Drogen wegkommen muss. Bei einer Grundsicherung von 400 Euro würde sonst zwangsläufig der Rückfall in den Handel zur Finanzierung der Sucht folgen. Trotzdem habe die Droge erfreulicherweise noch keine Persönlichkeitsveränderung zur Folge gehabt, daher sei der Verurteilte auch voll schuldfähig.
Dass es sich um bewaffneten Handel gehandelt habe, sei juristisch klar. Man brauche nicht die Absicht haben, eine Waffe einzusetzen. Es genüge, wenn sie in unmittelbarer Nähe zu den Drogen griffbereit sei. Ebenso überzeugt sei die Kammer, dass der Heuberger nicht nur einen alteingesessenen Kundenstamm von über 40-Jährigen beliefert habe, sondern auch andere und jünger Kunden. Das spiele rechtlich aber keine Rolle. Zu seinen Gunsten ging die Kammer auch davon aus, dass die Bestellung der Drogen zum Weiterverkauf als eine Tat gewertet wurde und nicht zwei.
Die Möbel des „Kellerzimmers“sind inzwischen bei der Freundin, die in die Heuberggemeinde gezogen ist. Sie, die seinem Leben seit 2014 eine Wendung gegeben hatte, hatte am Verhandlungstag, wie berichtet, als Zeugin ausgesagt und auch, dass sie zu ihm hält.