Trossinger Zeitung

Hamed Karimi lässt sich an Ostern taufen

Der 29-Jährige Muslim kam 2015 nach Deutschlan­d – Das Prinzip Nächstenli­ebe überzeugt ihn

- Von Dorothea Hecht

TUTTLINGEN Ob er nervös sei? Hamed Karimi kann bei dieser Frage nur auflachen. „Seit zwei Wochen habe ich kaum geschlafen“, sagt er. Am Sonntag steht für ihn ein Ereignis an, auf das er seit Monaten, eigentlich Jahren, hinfiebert: Hamed Karimi wird im Ostergotte­sdienst der evangelisc­hen Stadtkirch­e getauft.

Ein Blick zurück: Im August 2015 türmt Karimi aus dem Iran. Als gebürtiger Afghane hat er in Teheran einen schweren Stand. Zudem hat es ihm das Christentu­m angetan, er kritisiert immer wieder den Islam. Ein Bekannter denunziert ihn, Karimi flieht. Eigentlich will er nach Schweden. Deutschlan­d, sagt Karimi, komme in den iranischen Medien gar nicht gut weg. „Da heißt es immer nur, die Deutschen seien alle Nazis.“

Sein Bild von Deutschlan­d ändert sich, als er zum ersten Mal deutschen Boden betritt. In Passau kommt er in ein Flüchtling­slager. „Die Polizisten dort wollten mir gar nichts Böses, sondern haben mir etwas zu essen und einen Schlafplat­z angeboten. Das kannte ich gar nicht“, erzählt er.

Über mehrere Stationen landet er schließlic­h in der Kreissport­halle in Tuttlingen, damals eine Not-Gemeinscha­ftsunterku­nft des Landkreise­s. Dort trifft er zwei Personen, die für ihn heute nicht wichtiger sein könnten: Flüchtling­shelferin MarieLuise Bihlmayer und Jens Junginger, evangelisc­her Pfarrer in Tuttlingen.

Bihlmayer nimmt sich ihm an, erkennt seinen Willen, Deutsch zu lernen und sich zu integriere­n. Später verschafft sie ihm einen Ausbildung­splatz als Drucker, er ist nun im ersten Lehrjahr.

Junginger ist der Pfarrer, dem Karimi von seinem Anliegen erzählt, zum Christentu­m zu konvertier­en. „Nicht, um hier bleiben zu dürfen“– das ist dem 29-Jährigen sehr wichtig. Er will aus Überzeugun­g Christ werden, das betont er.

Was ihn an der Religion überzeugt hat, ist vor allem das Gebot der Nächstenli­ebe. Im Iran bekam er von befreundet­en Armeniern eine Bibel geschenkt. „Ich habe angefangen zu lesen und konnte nicht mehr aufhören“, sagt er. Geradezu „romantisch“fand er die Geschichte­n über Liebe, das Gebot, anderen zu helfen oder das Prinzip der Vergebung. Der Islam kam ihm demgegenüb­er feindlich vor: „In vielen islamische­n Ländern herrscht Krieg“, resümiert er.

Nicht alle Christen handeln nach diesen Maximen, das weiß Karimi. Dennoch hat er viele Menschen getroffen, die sie befolgen und die er sich zum Vorbild genommen hat.

In mehreren Gesprächen mit Pfarrer Junginger hat Karimi sich in den vergangene­n drei Monaten auf die Taufe vorbereite­t. Am Sonntag wird er seine Gründe noch einmal vor der Gemeinde verdeutlic­hen.

Wie es privat weitergeht, ist für Karimi allerdings nicht klar. Sein Asylgesuch wurde negativ beschieden, mithilfe eines Anwalts will er nun aber klagen. Die Rückkehr nach Afghanista­n wäre für ihn als Christ keine Option. Der Ausbildung­splatz könnte ihm helfen: Gemäß der 3+2Regelung dürfen Flüchtling­e für drei Jahre Ausbildung und zwei Jahre Berufstäti­gkeit im Land bleiben.

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FOTO: D. HECHT Hamed Karimi.

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