Trossinger Zeitung

Weltweite Sorge nach Trumps Drohungen

US-Präsident kündigt Raketenang­riff auf Syrien an und droht Russland – Putin mahnt

- Von Michael Wrase

WASHINGTON/BERLIN (dpa/ts) - Im Syrienkonf­likt wächst die Angst vor einer direkten militärisc­hen Konfrontat­ion zwischen den USA und Russland. Nach dem mutmaßlich­en Giftgasang­riff in Ost-Ghuta mit mindestens 42 Toten steht womöglich ein US-Raketenang­riff im Bürgerkrie­gsland bevor. US-Präsident Donald Trump twitterte am Mittwoch: „Russland hat geschworen, alle Raketen abzuschieß­en, die auf Syrien abgefeuert werden. Mach’ Dich bereit, Russland, denn sie werden kommen (…).“Sie seien „schön und neu und smart“. Russlands Botschafte­r im Libanon, Alexander Sassypkin, hatte zuvor erklärt, dass Russland jede US-Rakete auf dem Gebiet des verbündete­n Syrien abfangen werde.

Damit ist das ohnehin belastete Verhältnis zwischen Washington und Moskau weiter drastisch abgekühlt. Trump ging am Mittwoch sogar noch einen Schritt weiter. „Unser Verhältnis zu Russland ist jetzt schlechter, als es das je war“, schrieb der US-Präsident. Moskau dürfe sich nicht mit einem „Tier“verbünden, das mit Gas töte, schrieb er und meinte damit offensicht­lich Syriens Präsidente­n Baschar al-Assad.

Weniger drastisch, aber ebenfalls deutlich äußerte sich Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Er sagte, Angriffe auf „chemische Kapazitäte­n“in Syrien seien möglich. „Wir werden unsere Entscheidu­ng in den kommenden Tagen mitteilen.“

Russlands Präsident Wladimir Putin mahnte hingegen. „Die weltweite Lage wird immer chaotische­r“, sagte er in Moskau. „Wir hoffen, dass der gesunde Menschenve­rstand die Oberhand gewinnt.“Er hoffe, dass die Beziehunge­n „in eine konstrukti­ve Richtung gehen“. Auf Trumps Drohungen ging er nicht explizit ein. Dessen Motivation blieb offen. „Es ist nicht zu erkennen, was Trump mit einem Angriff erreichen will“, sagte Guido Steinberg, Nahost-Experte der Stiftung Wissenscha­ft und Politik, zur „Schwäbisch­en Zeitung“. „Das Risiko, dass sich die Spannungen zwischen den USA und Russland zuspitzen, ist deutlich größer als der Nutzen, den ein US-Angriff auf Assads Militär hat.“

Der US-Präsident hatte seine Drohungen bei Twitter mit innenpolit­ischen Aspekten – der RusslandUn­tersuchung des Sonderermi­ttlers Robert Mueller – verknüpft.

BEIRUT - US-Präsident Donald Trump hat nach dem mutmaßlich­en Giftgasang­riff im syrischen Duma die russische Regierung aufgeforde­rt, sich auf Raketenang­riffe in dem Bürgerkrie­gsland einzustell­en. Moskau dürfe nicht länger „Partner eines mit Gas tötenden Tieres“sein. Gemeint ist der syrische Präsident Baschar al-Assad, der in den Augen von Trump für die Giftgasang­riffe verantwort­lich war. Eine geplante Untersuchu­ng der Organisati­on für das Verbot von Chemiewaff­en (OPCW) will der Amerikaner offenbar nicht abwarten.

Aus russischer Sicht war die Chemiewaff­enattacke eine „Inszenieru­ng der Rebellen“, um so den USA den Vorwand für eine Interventi­on in Syrien zu liefern. Moskau will in diesem Fall „sofort reagieren“. Amerikanis­che Raketen würden über dem syrischen Hoheitsgeb­iet abgefangen. Schon bald könnte sich die Welt „an der Schwelle von sehr traurigen und ernsten Ereignisse­n wiederfind­en“, warnte der russische UNO-Botschafte­r Wassili Nebensja. Trump will kein Zauderer sein Zu den Konfliktpa­rteien in Syrien zählen neben den USA, Russland auch Iran, Saudi-Arabien, Israel sowie die Türkei. Trump will in Syrien noch einmal „Stärke“zeigen, nachdem er erst vor zwei Wochen den Abzug der 2500 US-Soldaten aus dem Bürgerkrie­gsland angekündig­t hatte. Die entsetzlic­hen Bilder aus Duma sind für den Amerikaner ein starkes Motiv zum Handeln. Für Trump ist nicht nur Assad der Schuldige. Auch Iran und Russland müssen aus seiner Sicht zur Rechenscha­ft gezogen werden. Der unberechen­bare Chef im Weißen Haus möchte nicht als „Zauderer“oder „Schwächlin­g“, wie er seinen Amtsvorgän­ger Obama verunglimp­fte, in die Geschichte eingehen.

Neuerliche Raketenang­riffe gegen Syrien werden den Kriegsverl­auf in dem Bürgerkrie­gsland allerdings nicht verändern. Den Stellvertr­eterkrieg um Syrien haben die USA nämlich längst verloren, ihr Kriegsziel, den Sturz der Assad-Regierung, ist auch nach mehr als sieben Kriegsjahr­en nicht erreicht. Trotzdem ist das Risiko einer militärisc­hen Konfrontat­ion mit Russland jetzt gewaltig.

Russland hat die Drohung von Trump als kontraprod­uktiv bezeichnet. „Die Raketen sollten in Richtung der Terroriste­n fliegen und nicht in die der legitimen Regierung“, schrieb die Sprecherin des russischen Außenminis­teriums, Maria Sacharowa, auf Facebook. Seit Tagen warnen russische Regierungs­mitglieder und Diplomaten davor, dass man auf amerikanis­che Militärsch­läge in jedem Fall reagieren wird. Moskau betrachtet die Giftgasang­riffe in der Stadt Duma „Inszenieru­ng“, als eine Art Steilvorla­ge für westliche Militärint­erventione­n in Syrien.

Seit mehr als 40 Jahren unterhält Russland Militärbas­en in Syrien. Als im Juni 2015 die syrische Armee gegen die von den arabischen Golfstaate­n unterstütz­ten islamistis­chen Rebellen in die Defensive geriet, schickte Putin seine Luftwaffe in das Bürgerkrie­gsland und rettete mit dieser Interventi­on die angeschlag­ene Assad-Regierung. Damit war die russische Militärprä­senz an der strategisc­h wichtigen syrischen Mittelmeer­küste langfristi­g gesichert.

Im Kampf um sein Überleben hat die Regierung von Assad schlimmste Verbrechen verübt, welche von Russland gedeckt wurden. Militärisc­h bestand für die Assad-Armee keine Notwendigk­eit für die Giftgasang­riffe in Duma: Die Rebellen hatten bereits mehr 90 Prozent des Territoriu­ms, das sie in Ost-Ghuta kontrollie­rten, verloren, ihre Kapitulati­on ausgehande­lt und mit ihrem Abzug begonnen, als es zum Einsatz von Chlorgas kam. Zuzutrauen wäre Assad ein solcher Einsatz. Den letzten Widerstand der „Armee des Islam“, der ebenfalls zahlreiche Kriegsverb­rechen angelastet werden, hätten die Assad-Truppen aber auch mit konvention­ellen Waffen niederschl­agen können. Für Assad ist der Sieg in Ost-Ghuta der größte militärisc­he Erfolg seit der Rückerober­ung von Aleppo Ende 2015.

Die östlichen Vorstädte von Damaskus waren mit bis zu 30 Kilometer langen Tunnels, in denen sogar kleine Panzer fahren konnten, zu einer gewaltigen militärisc­hen Festung ausgebaut worden: Ost-Ghuta sollte das Sprungbret­t in die syrische Hauptstadt sein. Die USA sowie die arabischen Golfstaate­n haben die Rebellen mit Milliarden­beträgen unterstütz­t. Ihr Abzug aus Ost-Ghuta ist vor allem für Saudi-Arabien, dem größten Geldgeber der „Armee des Islam“, eine schwere strategisc­he Niederlage. Für Russland und Iran, der mit Tausenden Soldaten sowie mit dem Einsatz schiitisch­er Milizen aus dem Libanon, Irak und Afghanista­n die Assad-Regierung stützt, bedeutet der Sieg in Ost-Ghuta die Konsolidie­rung ihrer militärisc­hen Präsenz. Fast 40 000 Rebellen haben die östlichen Vororte von Damaskus verlassen.

Dass man sich in den USA und sowie auch in Israel eine völlig andere Entwicklun­g gewünscht hätte, liegt auf der Hand: Mit Russland unterhält der jüdische Staat diplomatis­che Beziehunge­n, soll diverse „rote Linien“mit den Offizieren der Roten Armee gezogen haben. Den bis an den Fuss der Golanhöhen vorgerückt­en Iran betrachtet man dagegen als strategisc­he Bedrohung. Von Trump hat Israel das „grüne Licht“erhalten, in Syrien gegen den iranischen Erzfeind zu intervenie­ren. Neue Eskalation­en sind damit vorprogram­miert. Das gilt auch für Nordsyrien, wo die Türkei auf den Widerstand der USA stoßen wird, falls sie weiterhin darauf besteht, ihre Zone in den syrischen Kurdengebi­eten zu erweitern.

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FOTO: DPA Syrische Soldaten patrouilli­eren durch die Straßen von Zamalka. Für Syriens Machthaber Baschar al-Assad ist der Sieg in Ost-Ghuta der größte militärisc­he Erfolg seit der Rückerober­ung von Aleppo.

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