Von Durchhausens Zitteräpfeln
Karl Kirschlers Großvater brachte die Bäume aus dem Krieg mit – Obst im Dorf beliebt
DURCHHAUSEN - 100 Jahre ist es in diesem Frühjahr her, dass Karl Kirschlers Großvater in Durchhausen zwei kleine Apfelbäumchen pflanzte, die er aus dem Krieg mitgebracht hatte. Im Ort wurden die Früchte der Bäume rasch als Kuchenäpfel beliebt – ohne, dass die Durchhausener wussten, welch berühmte Apfelsorte sie da eigentlich verwendeten.
Noch heute stehen die beiden Bäume in dem Garten. Er gehört inzwischen Karl Kirschler, der ihn sorgsam pflegt. „Mein Großvater war im Ersten Weltkrieg als Soldat in der Normandie eingesetzt“, erzählt der Durchhausener. Zu Weihnachten 1917 wurde er dann entlassen: Da in der Heimat die Nahrungsversorgung der Menschen gesichert werden musste, war seine Arbeit als Landwirt wichtiger als der Kriegsdienst. Aus Frankreich nahm er zwei junge Apfelbäume mit.
„Drei Monate lang überwinterten die Bäumchen in seiner Scheune, bevor er sie im Frühjahr 1918 pflanzte – ziemlich genau vor 100 Jahren.“Das Besondere an ihnen: Sie beginnen zwar erst spät zu blühen, wenn alle anderen Bäume ihre Blüten schon wieder abgeworfen haben, doch ihre Äpfel sind als erste reif.
„Zur Erntezeit Ende August gab es in Durchhausen immer den neuen Most“, sagt er – und die Nachbarn sammelten das Obst in Scharen aus der Gartenhecke der Kirschlers. Andere Landwirte aus dem Dorf pflanzten in den Folgejahren selbst Schößlinge der zwei Bäume. „Die Früchte wurden in Durchhausen Zitteräpfel genannt“, berichtet Kirschler. Besonders beliebt waren sie bei den Frauen als Äpfel für Kuchen. Beliebt in Frankreich Was keiner wusste: In Frankreich schätzte man die Äpfel ebenfalls sehr – allerdings nicht zum Kuchenbacken. Als Karl Kirschler nach dem Zweiten Weltkrieg Urlaub in der Normandie machte, stieß er dort auf eine Apfelsorte, die er aus seinem eigenen Garten kannte: „Es waren die verbreiteten Cidre-Äpfel, aus denen dort Cidre hergestellt wird.“Der Apfelschaumwein ist eine Spezialität der Region.
Heute, 100 Jahre nach ihrer Pflanzung, ist es um Karl Kischlers Apfelbäume ruhiger geworden. Noch immer liefern sie jedes Jahr reichlich Äpfel, dank der besonderen Wachstumsperiode nach den Frühlingsfrostnächten. Die Durchhausener erscheinen zwar nicht mehr so zahlreich, um etwas von den Früchten abzubekommen, aber immer noch klaubt manch ein Passant Äpfel aus der Gartenhecke.
Kirschler kennt noch eine Seniorin, die die Zitteräpfel gern für ihre Kuchen verwendet – und gelegentlich treffen er und seine Frau beim Spazieren durch Durchhausen auf einen Apfelbaum, der einst ein Schößling seiner eigenen war.