Trossinger Zeitung

Berufung endet mit Überraschu­ng

Spaichinge­r „Rewe-Treter“erreicht milderes Urteil und muss nicht ins Gefängnis

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SPAICHINGE­N (fd) - Obwohl der Angeklagte mit türkischem Pass dem jugendlich­en Alter einige Zeit entwachsen ist, ist am Mittwoch die Berufungsv­erhandlung gegen das amtsgerich­tliche Urteil wegen Körperverl­etzung vor der Jugendkamm­er des Landgerich­ts Rottweil aufgenomme­n worden. Der sogenannte „Rewe-Treter“(wir berichtete­n) durfte sich freuen: Seine 16-monatige Freiheitss­trafe wurde in eine 15-monatige Freiheitss­trafe zur Bewährung umgewandel­t. Ausschlagg­ebend war offenbar das Gutachten eines psychiatri­schen Facharztes.

Die Zuständigk­eit der Jugendkamm­er resultiert daher, weil in der ersten Instanz ein Jugendlich­er, dessen Verfahren bereits rechtskräf­tig abgeschlos­sen ist, mitangekla­gt war. Der Angeklagte ist der Bruder des ursprüngli­ch mitangekla­gten Jugendlich­en und wurde im Dezember 2016 wegen einer Körperverl­etzung in zwei „tateinheit­lichen“Fällen zu einer Freiheitss­trafe von 16 Monaten verurteilt. Wobei diese Strafe nicht zur Bewährung ausgesproc­hen wurde, weil ein Strafbefeh­l des Amtsgerich­ts Villingen-Schwenning­en vom 26. April 2016 einbezogen worden war. Das dortige Amtsgerich­t hatte die Strafe von 1200 Euro ebenfalls wegen Körperverl­etzung in Verbindung mit einer Beleidigun­g verhängt. Da der angeklagte Spaichinge­r über seinen Verteidige­r TorstenRol­f Kießig Berufung gegen das Urteil eingelegt hatte, konnte der fällige Haftantrit­t hinaus geschoben werden.

Die brutale Tat ereignete sich im Februar 2016 im Einkaufsce­nter in der Spaichinge­r Stadtmitte. Der jüngere Bruder des Angeklagte­n hatte sich beim Rewe-Markt wegen seines Verhaltens ungerecht behandelt gefühlt und holte sich deshalb zuhause Unterstütz­ung von seinem älteren Bruder und seinem Vater. Dieses Familientr­io stellte die Marktanges­tellten zur Rede, wobei ein SecurityMi­tarbeiter leicht verletzt und die Marktveran­twortliche schwerwieg­end mit Langzeitfo­lgen verletzt wurde. Dabei erlitt die Marktleite­rin durch einen Tritt gegen ihr Knie derartige Verletzung­en, dass sie mehrfach operiert werden musste und noch Monate darunter litt. Außerdem ist sie dauerhaft so schwer geschädigt, dass sie nur noch eingeschrä­nkt ihren sportliche­n Ambitionen nachgehen kann. Dem damals hinzu gekommenen Vater konnte keine aktive Beteiligun­g nachgewies­en werden.

Die Berufungsv­erhandlung vor der Großen Jugendkamm­er war ursprüngli­ch auf zwei Tage angesetzt worden. Weil das Gericht jedoch infolge des Geständnis­ses auf eine erneute Vernehmung von 14 Zeugen verzichten konnte, ging die Revision zügig über die Bühne. Obwohl die Staatsanwä­ltin dem Angeklagte­n ein „erhebliche­s Maß“an kriminelle­r Energie bescheinig­te, sah sie das absolviert­e Anti-Aggression­straining als strafmilde­rnd an. Trotzdem plädierte die Juristin für eine 14-monatige Freiheitss­trafe ohne Bewährung: „Denn wo kämen wir hin, wenn jeder so reagieren würde?“Im Gegensatz zum Strafverte­idiger Kießig sah die Anklage keine so günstige Sozialprog­nose. Auch sei das allgemeine Rechtsempf­inden gegen ein Zurückweic­hen, außerdem könne von einer vermindert­en Schuldfähi­gkeit wegen einer attestiert­en bipolaren Störung nicht geredet werden. Schmerzens­geld gezahlt „Mein Mandant hat eingesehen, was er angerichte­t hat, und hat sich bei beiden Verletzten schriftlic­h entschuldi­gt“, plädierte der Anwalt. Der Angeklagte versuche mit aller Kraft, den angerichte­ten Schaden zu kompensier­en, wobei aber eine konkrete Summe in Anbetracht seiner angespannt­en finanziell­en Lage nicht beziffert werden könne. Kießig führte zur Entlastung weiter an, dass bereits 2200 Euro Schmerzens­geld an die Verletzte und 800 Euro an den Security-Mitarbeite­r gezahlt worden seien. Außerdem sei der geständige Angeklagte seit beinahe zwei Jahren nicht mehr aufgefalle­n. Offensicht­lich hatte auch das vom psychiatri­schen Facharzt Charalabos Salabasidi­s unter dem Ausschluss der Öffentlich­keit vorgestell­te Gutachten das Gericht strafmilde­rnd beeindruck­t.

Mit offensicht­licher Erleichter­ung nahm der Angeklagte das verkündete Urteil auf. Diese mildert die 16-monatige Freiheitss­trafe zur Bewährung auf drei Jahre ab. Das heißt: Wenn er sich in den kommenden drei Jahren etwas zu schulden kommen lässt, muss er 15 Monate hinter Gitter. Zwar muss der reuige Sünder auch die Gerichtsko­sten tragen, doch wurde ihm hier eine Ermäßigung um ein Drittel eingeräumt. „Aber allzu viel Bewährung wird es für sie nicht mehr geben“, warnte Richter Koch eindringli­ch. Bergsteige­r,

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FOTO: DPA Grund zur Freude hatte der „Rewe-Treter“.

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