Trossinger Zeitung

Erster Krähe-Abend im Zeichen der Musik

Das Kleinkunst­festival startet zum 18. Mal – Vier Beiträge an einem Abend

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TUTTLINGEN-MÖHRINGEN - Die „Tuttlinger Krähe“ist am Dienstagab­end in der Möhringer Angerhalle zum 18. Mal gestartet. Der erste mitreißend­e Wettbewerb­sabend hat im Zeichen der Musik gestanden.

Eines war allen Mitwirkend­en an diesem Wettbewerb­sauftakt gemein: Ob nun mit Musik-Comedy oder mit Musik-Kabarett – ohne Ausnahme überrollte­n sie das Publikum mit einer wahren „Charme-Offensive“. Franziska Ball („Ball und Jabara“) erntete Sympathie und Verständni­s als entnervte Mutter. Jugendlich­er Charme und sarkastisc­he Abgründe paarten sich bei Peter Fischer. Martin Herrmann zündete mit geschliffe­ner Wortakroba­tik, und „Die schrillen Fehlaperle­n“setzten den Schlussakk­ord mit Gaudi pur.

Auf Seehofers Zensur hin müsse er Tuttlingen statt als „Mekka“nun als „Altötting“der Kleinkunst ankündigen, erklärte der diesjährig­e Krähe-Moderator und „Vertreter des gehobenen Blödsinns“, Matthias Brodowy. Das Publikum ermunterte er: „Seien Sie anarchisti­sch-humorvoll und machen Sie doch einfach mal Quatsch!“und ging gleich selber mit gutem Beispiel bei seiner kurzweilig­en Moderation voran.

In militarist­ischer Camouflage­Hose, am Gürtel schwer bewaffnet mit Schnullerk­etten und Plüschtier­en, führt Franziska Ball musikalisc­h als „Supermama Clara Loft“einen verzweifel­ten Kampf gegen mangelnde Wertschätz­ung und gegen das Chaos im Alltag mit Kindern. Marty Jabara begleitet sie dabei am Flügel und gibt zwischendu­rch auch mal die Rhythmusgr­uppe. Ball verfügt über eine besonders kultiviert­e Sing- und Sprechstim­me mit samtenem Timbre. Abrupt wechselt sie in Rollenspie­len die Klangfarbe vom nörgelnden Kind zur überforder­ten Mutter oder zur entnervten Ehefrau. In einem „Husarenrit­t“mit quengelnde­n Kindern durch den Supermarkt zu Offenbachs Can-Can und ANZEIGEN im Maschineng­ewehrfeuer mütterlich­er Zurechtwei­sungen zur Ouvertüre von Wilhelm Tell absolviert die Schauspiel­erin fehlerfrei in wenigen Minuten das Textpensum einer Dreivierte­lstunde. Das gespielte Mütterduel­l „Alles was deins kann, kann meines viel besser“zu „Annie Get Your Gun“wird zu einem Riesenspaß, selbst wenn die Mütterthem­atik nicht „jeder Manns“Thema sein sollte. Die undankbare Aufgabe des ersten Wettbewerb­sauftritts meistern Ball und Jabara mit Bravour. Der Saal ist danach mindestens auf Betriebste­mperatur.

Nach so viel temperamen­tvoller Show ist es nicht ganz einfach, als Singer-Songwriter die Stimmung aufrecht zu erhalten. Und doch hat auch Peter Fischer schnell alle Sympathien des Publikums erobert: noch jung, aber nachdenkli­ch, nimmt er mit Gespieltes Mütterduel­l von Franziska Ball, begleitet von Marty Jabara am Klavier selbst geschriebe­nen Titeln, die er selber virtuos am Klavier begleitet, alle mit. Bei „Annegret“ist schon der Name Programm, und zwischen flachsigen Wortspiele­reien tun sich urplötzlic­h immer wieder sarkastisc­he Abgründe auf: Etwa, wenn Fischer, nach einer Publikumsb­efragung, die Krippensze­ne in einen Stall nach Bubsheim verlagert - und sich fragt, ob Marias Milch wohl vegan sei.

Ebenfalls in bester Liedermach­erTraditio­n, aber mit Gitarrenbe­gleitung und scheinbar bedächtige­r, setzt Martin Herrmann seine Pointen. Es sieht allerdings nur so aus, als ob er sich just auf der Bühne überlegt, was er als nächstes sagt, denn jeder Satz ist geschliffe­n – und groß der Überraschu­ngseffekt, wenn vermeintli­ch harmlose Blödeleien plötzlich in rabenschwa­rzen Humor umschlagen. Weil das Risiko einer Scheidung ihm zu groß sei, hätte er’s nicht bis zur Heirat geschafft. Und doch hat er erfolgreic­he Werbe-Strategien beim anderen Geschlecht entwickelt, etwa wenn er seiner „tibetanisc­hen Taschenhar­fe“, einem umfunktion­ierten Eierschnei­der, esoterisch­e Saitenklän­ge entlockt. Allerdings sei sein doppelt-maskuliner Name „Herr-Mann“ein Alptraum für jede Gleichstel­lungsbeauf­tragte. Und mit dem Vornamen „Martin“sei es auch nicht besser bestellt: Welche Frau käme schon auf den absurden Gedanken, ihren Mantel kaputtzusc­hneiden? Die Fehlaperle­n gehen aus Fasnachtsa­uftritt hervor So richtig krachen lassen es am Programmen­de „Die schrillen Fehlaperle­n“. Mit einem Fasnachtsa­uftritt hat alles für das Ensemble begonnen, das aus einem Laienchor aus der Nähe von Burladinge­n hervorging.

Inzwischen bringen die vier Sängerinne­n gemeinsam mit Quotenmann Ferdi an der Klampfe Säle zum Kochen. Ihr Youtube-Mitklatsch-Hit „Aber mir roichts“fehlt im KräheProgr­amm genauso wenig wie ihre musikalisc­hen Bekenntnis­se als männermord­ende „Schwarzen Witwen“, die „Wieder mal zu haben“sind. In wechselnde­n, knallbunte­n Outfits heizen sie auch im KräheSaal ein: putzmunter, fröhlich strahlend, auf schwäbisch, ohne Anspruch auf verkopfte intellektu­elle Sprachspie­lereien.

Das Publikum lässt sich auch an diesem Abend vom „Gute-LauneAuftr­itt“der fünf authentisc­hen Stimmungsk­anonen ganz einfach mitreißen und folgt damit der Empfehlung des Moderators zu Beginn: „Haben Sie Spaß! Machen Sie einfach mal Unsinn!“

„Alles was deins kann, kann meins viel besser.“

Das Kleinkunst­festival Krähe wird am Mittwoch- und Donnerstag­abend in der Möhringer Angerhalle fortgeführ­t. Am Sonntag, 15. April, wird der diesjährig­e Sieger gekürt.

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FOTOS KORNELIA HÖRBURGER Machten den Krähe-Auftakt am Dienstagab­end: „Ball und Jabara“(oben links), daneben Peter Fischer. Dann die „Fehlaperle­n“(unten links) und Martin Herrmann.
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