Trossinger Zeitung

Wie ein Waldbrand in der US-Demokratie

In seinem Buch vergleicht der geschasste FBI-Direktor James Comey Präsident Trump mit einem Mafiaboss – und liefert pikante Details

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Dass James Comey ein genauer Beobachter ist, lässt sich schon daran erkennen, wie er Donald Trump skizziert. Eine in Orangetöne gehende Gesichtsfa­rbe, unter den Augen weiße Halbmonde, offenbar zurückzufü­hren auf die Schutzbril­le, die sich der Mann wohl im Sonnenstud­io aufsetze. Dazu beeindruck­end frisiertes, hellblonde­s Haar, das auch bei näherer Betrachtun­g aussehe, als wäre es echt. Comey schreibt: „Ich erinnere mich, dass ich mich fragte, wie viel Zeit er wohl morgens braucht, um das so hinzukrieg­en.“ Der nächste Sturm über Trump Comey, bis vor elf Monaten Direktor des FBI, hat ein Buch geschriebe­n. Wenige Tage vor der Veröffentl­ichung haben US-Medien nun daraus zitiert – und den nächsten Sturm über der Präsidents­chaft Trumps entfacht. Comeys Buch dreht sich nicht allein um US-Präsident Trump, von dem er gefeuert wurde, es geht auch um seine eigene Karriere. Da der 2,03 Meter große Jurist aber nicht nur zu den schärfsten Kritikern des aktuellen US-Präsidente­n zählt, sondern auch weiß, wie es hinter den Kulissen zugeht, sind es nun mal die Passagen über Trump, die in erster Linie interessie­ren. Schon der Titel, „Higher Loyalty“, spielt darauf an, wo Comey den Graben verlaufen sieht. Während er allein der Verfassung verpflicht­et sei, drehe sich bei Trump alles um persönlich­e Treue. Trump im Oval Office, das sei vergleichb­ar mit einem Waldbrand, der den Normen und Traditione­n des Landes schweren Schaden zufüge.

Es ist nicht das erste Mal, dass Comey aus der Küche der Macht plau- dert. Schon im vorigen Juni, als er einen Monat nach seiner Entlassung vor dem Geheimdien­stausschus­s des Senats aussagte und die Fernsehsen­der live übertrugen, nahm er kein Blatt vor den Mund. In seinem Buch aber schildert er es noch plastische­r, mit genauen Zitaten, gewürzt durch Episoden. Trump, schreibt Comey, erinnere ihn an einen Mafiaboss.

Der Präsident hat auf die Veröffentl­ichung der Buchauszüg­e ganz in seinem Stil reagiert. Am Freitag versandte Trump einen Tweet, in dem er Comey als „Lügner“bezeichnet­e. Comey habe nachweisli­ch gelogen und gesetzeswi­drig vertraulic­hes Material weitergege­ben, schrieb Trump. Und weiter: „Er ist ein schwacher und unehrliche­r Drecksack, der, wie die Zeit bewiesen hat, ein schlechter FBI-Direktor war“, schrieb Trump. „Es war mir eine große Ehre, James Comey zu feuern!“ Treueschwü­re und Lügen Der Staatsanwa­lt Comey trug einst dazu bei, das Verbrecher­syndikat der Gambino-Familie zu zerlegen. Als Trump ihn im Februar 2017 einbestell­te, zu einem Gespräch, an dem auch der damalige Stabschef Reince Priebus teilnahm, habe er daran zurückdenk­en müssen. „Der Zirkel stillschwe­igenden Einverstän­dnisses. Der Boss, der die volle Kontrolle hat. Die Treueschwü­re. Die Weltsicht des ‚Wir gegen sie‘. Das Lügen über alles, seien es große Dinge oder kleine, im Dienste eines Loyalitäts­kanons, der– die Organisati­on über die Moral und die Wahrheit stellt.“

Wenige Wochen zuvor – da war Trump gewählt, aber noch nicht im Amt – hatte sich der FBI-Direktor erstmals mit ihm getroffen, im Hochhaus des Immobilien­moguls in Man- hattan. Schon damals, so Comey, musste er an die New Yorker Männerclub­s der Mafia denken: The Ravenite, The Palma Boys, Café Giardino. Später, bei einem Dinner zu zweit im Weißen Haus, habe er sich gefühlt wie bei einem Ritual, das Cosa-Nostra-Chef Sammy the Bull zelebriert­e, wenn er neue Mitglieder aufnahm.

Besagtes Abendessen dürfte zu den folgenschw­ersten der jüngeren amerikanis­chen Geschichte gehören. Bei Garnelensa­lat, Chicken Parmesan und Vanilleeis gab der Präsident zu verstehen, dass Comey die Ermittlung­en gegen Michael Flynn, den über die Russlandaf­färe gestolpert­en Nationalen Sicherheit­sberater, doch bitte einstellen möge. „Ich brauche Loyalität, ich erwarte Loyalität“, zitiert ihn der bald darauf Geschasste. Trump, schlussfol­gert er, habe versucht, das Verhältnis eines Schutzpatr­ons zu einem Abhängigen herzustell­en, ohne die Rolle des FBI im politische­n System zu verstehen. „Sie werden jederzeit Ehrlichkei­t von mir bekommen“, habe er, Comey, entgegnet. Darauf Trump: „Das ist es, was ich will, ehrliche Loyalität“. Der Präsident habe es offenbar als eine Art Deal angesehen, „als einen Deal, bei dem wir beide gewinnen“.

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FOTO: AFP Plaudern aus der Küche der Macht: James Comey vor seiner Anhörung vor dem US- Senat im Juni 2017.

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