Trossinger Zeitung

„Deutschlan­d ist nicht das Paradies“

Asylsuchen­de berichten über ihre Erlebnisse als Neuankömml­inge in Trossingen

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TROSSINGEN (smü) - Der Asyl-Helferkrei­s Trossingen, kurz TroAsyl, hat am Samstag zum ersten von mehreren Begegnungs­kaffees eingeladen, die alljährlic­h stattfinde­n. Ort der Begegnung war diesmal das Johannes-Brenz Gemeindeha­us. Diese Nachmittag­e sind dazu gedacht, dass sich die Asylsuchen­den und die Trossinger kennen lernen können.

Thema des Begegnungs­kaffees waren die Erlebnisse der Neuankömml­inge in Trossingen, seit sie hier sind. Dazu hat Feras Alreja gemeinsam mit Herbert Ottendörfe­r einen Vortrag ausgearbei­tet. Nach einem Studium am Institut für Landwirtsc­haft in Hasaka in Syrien hat Feras Alreja in einer Apotheke gearbeitet. Um nicht zum Militär zu müssen, bildete er sich in Jordanien zum Ernährungs­berater und Diätplaner weiter. Die Rückkehr nach Syrien hätte für ihn die Zwangsverp­flichtung zum Militär mit sich gebracht. Daher entschloss er sich über Weißrussla­nd nach Polen und dann nach Deutschlan­d zu flüchten.

So kam er am 8. Oktober 2015 als einer der ersten Flüchtling­e in der Trossinger Händelstra­ße an. Seine zurückhalt­end freundlich­e, höfliche Art und die Fähigkeit, rasch eine neue Sprache zu erlernen, halfen ihm, bald Kontakte zu knüpfen. Seine Berufstäti­gkeit beschränkt sich im Moment noch auf Minijobs. Über verschiede­ne Praktika hat Feras Alreja auch bereits versucht, beruflich Fuß zu fassen.

Sein Fazit nach zweieinhal­b Jahren Deutschlan­d ist, dass es nicht das Paradies sei, doch die Tatsache in Frieden und Sicherheit leben zu können, mache ihn dankbar. Auch wenn er als einziger von vier Brüdern und einer Schwester im Ausland lebt. Natürlich vermisst Feras Alreja seine Mutter, er vermisst jedoch auch eine Partnerin. „Ich bin oft schon sehr alleine“, sagt er. Wenig Privatsphä­re Probleme ganz anderer Art haben die beiden Brüder Sami und Nahat Alodaimi mit ihren Familien. Im Rahmen der Anschlussu­nterbringu­ng wohnen sie in der Litschlest­raße im früheren Verwaltung­sgebäude der Firma Walter. Dort bewohnen die beiden Familien – insgesamt sieben Personen – eine fünf-Zimmer-Wohnung. „Jede Familie bewohnt zwei Zimmer, einen Raum haben wir gemeinsam, Küche, Bad und Toilette teilen wir auch“, erklärt Sami Alodaimi. „Wir sind händeringe­nd auf Wohnungssu­che. Die zu einer Familie gehörende Privatsphä­re täte uns schon gut“, sagt auch Nahat Alodaimi.

Immer wieder erleben die Brüder, dass sie die Zusage für eine Wohnung nicht erhalten, weil sie Ausländer sind. „Es macht uns traurig, so abgelehnt zu werden“, sagen die Brüder. Sie fragen sich, welche Bilder in den Köpfen der potentiell­en Vermieter wohl vorhanden sind. „In Syrien hatte ich zwei Restaurant­s, mein Hab und Gut ist dem Krieg zum Opfer gefallen. Nun hoffe ich einfach nur, mir mit meiner Familie ein neues angemessen­es Leben aufbauen zu können“, erklärt Sami Alodaimi.

Eine Erfolgsges­chichte schreibt die Familie Abdulhanna­n. Vater Rashid flüchtete zunächst alleine. Vor zwei Jahren konnte er seine Frau und seine drei Töchter nach Trossingen nachholen. Derzeit wohnen sie im Wohnheim in Grubäcker. Die Arbeitslos­igkeit belastet den Familienva­ter, der in Syrien in der Verkehrsmi­ttelüberwa­chung tätig war, derzeit noch. Seine Frau Abla hat über den Nähkreis „Fadenlauf“Kontakte geknüpft.

Die Töchter Shirav und Biar besuchen die weiterführ­ende Schule, Lana ist in der Friedenssc­hule. Alle drei besuchen die Trossinger Musikschul­e. Lana hat schon so gute Fortschrit­te gemacht, dass sie am Samstag einige Stücke auf der Geige vortragen konnte.

Die Mädchen sprechen fließend Deutsch und haben Freundinne­n gefunden, mit denen sie über Beautytipp­s, Mode und Musik sprechen. Sie leben hier das Leben, wie es für pubertiere­nde und junge Frauen typisch ist.

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FOTO: SILVIA MÜLLER Herbert Ottendörfe­r und Feras Alreja beim Begegnungs­kaffee

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