Trossinger Zeitung

„Er liebte seinen Sohn abgöttisch“

Vierter Prozesstag: Wie es zum Familiendr­ama in Villingend­orf kam – Ärztin für Psychiatri­e als Zeugin geladen

- Von Lothar Häring

ROTTWEIL - Hätte man den Dreifach-Mord von Villingend­orf am 14. September 2017 verhindern können? Die Indizien mehren sich. Am gestrigen vierten Prozesstag vor dem Landgerich­t Rottweil wurde deutlich, dass Drazen D., der Angeklagte, schon Jahre vorher psychisch auffällig gewesen und unkontroll­ierte Gewalt-Exzesse verübt haben soll.

Bereits im November 2007 begab sich der Angeklagte wegen Angst-Attacken, depressive­n Phasen und Alkoholpro­blemen zu einer Fachärztin für Psychiatri­e in Radolfzell, die ihn mit Unterbrech­ungen bis 2015 behandelte. Zwischendu­rch ließ er sich, teilweise auf eigenen Wunsch und um sich selbst zu schützen, mehrfach in die Psychiatri­e Reichenau einweisen. Am Anfang sei sie von „Persönlich­keitsprobl­emen“ausgegange­n, sagte die Ärztin, am Schluss aber habe „der Verdacht auf eine schizophre­ne Psychose bestanden“, nachdem Halluzinat­ionen aufgetrete­n seien und der Patient „Stimmen gehört“habe.

Eine Folge seien äußerst brutale Gewaltausb­rüche gewesen, vor allem nachdem Drazen D. Alkohol getrunken hatte. Das belegen zwei Urteile des Amtsgerich­ts Konstanz, die gestern bekannt wurden.

Im Jahr 2010 stürmte Drazen D. in einen Radolfzell­er Swingerclu­b, wo seine Lebensgefä­hrtin, die im vierten Monat von ihm schwanger war, immer noch bei ihrem geschieden­en Mann arbeitete, und schlug unter anderem mit einem Küchenbeil wild auf den Ex-Mann der Frau ein. Der Kontrahent erlitt schwere Gesichtsve­rletzungen. Das Gericht bescheinig­te, der Täter sei „gewillt, keine Strafe mehr zu begehen“, erkannte auf verschiede­ne mildernde Umstände und sprach eine Bewährungs­strafe wegen gefährlich­er Körperverl­etzung aus. Exzesse unter Alkohol Noch in der Bewährungs­zeit kam es im April 2012 zum nächsten Exzess. Unter dem Einfluss einer Flasche Wodka schleifte D. seine Lebensgefä­hrtin und Mutter des mittlerwei­le geborenen Sohnes an den Haaren durch die Wohnung, schlug sie und richtete sie übel zu. Die Frau konnte sich retten und verständig­te die Polizei. Doch vor Gericht machte sie als Verlobte von ihrem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern. Trotz allem sprach das Amtsgerich­t Konstanz wieder nur eine Bewährungs­strafe aus und attestiert­e ihm gute Perspektiv­en.

Erst nach zahlreiche­n weiteren Ausfällen trennte sich die Frau schließlic­h. Dem Mann wurde von Amts wegen verboten, sich ihr zu nähern und seinen Sohn zu sehen. Das traf ihn zutiefst. „Er hat dieses Kind abgöttisch geliebt“, sagte sein früherer Chef aus Mahlstette­n gestern.

Am 19. August traf Drazen D. den Jungen zusammen mit der Mutter zufällig auf einem Supermarkt-Parkplatz in Singen. „In vier Wochen bringe ich euch alle um“, soll er ihnen gedroht haben, so die Zeugenvern­ehmung.

Drei Tage später kündigte er in Mahlstette­n seine Arbeitsste­lle mit der Begründung, er müsse „familiäre Dinge“regeln. Am 14. September, davon ist der Staatsanwa­lt, der die Anklage verlas, überzeugt, erschoss er seinen Sohn, seinen Nebenbuhle­r und dessen Cousine.

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