Trossinger Zeitung

Wundersame Metamorpho­se

- Von Angela Köhler

Es ist unglaublic­h, in welchem Tempo sich Nordkoreas Diktator Kim Jong-un vom schwarzen Schaf der Weltpoliti­k zum ernst zu nehmenden Verhandlun­gspartner gewandelt hat – oder vielleicht vorsichtig­er gesagt – gewandelt haben will. Für die Weltöffent­lichkeit galt der rundliche Machthaber aus dem bizarren altstalini­stischen Reich erst als politische Witzfigur und dann als „Raketenman­n“, wie ihn US-Präsident Donald Trump nannte.

Aber plötzlich wollen alle mit dem dritten Führer der Kim-Dynastie auf Augenhöhe sprechen – von Trump, über Chinas Präsident Xi, Südkoreas Staatschef Moon oder Japans Premier Abe. Der wichtigste Grund für die Metamorpho­se der Sphinx von Pjöngjang liegt vermutlich in der Unberechen­barkeit der US-Sicherheit­spolitik des erratische­n Twitter-Präsidente­n Trump.

Nordkoreas Diktator musste wohl auf Drängen seiner chinesisch­en Genossen einsehen, dass eine Fortsetzun­g des Waffenpoke­rs mit den USA für die koreanisch­e Halbinsel und den gesamten ostasiatis­chen Raum ein gefährlich­es Spiel mit dem Feuer ist. Oder anders gesagt: Bevor er CIA-Chef Mike Pompeo nach Pjöngjang entsandt hat, erweckte Trump den Eindruck, dass er das Korea-Problem mit härtesten Sanktionen und notfalls auch mit brutaler Waffengewa­lt lösen will.

Auf der anderen Seite müssen die USA und ihre Verbündete­n Südkorea und Japan akzeptiere­n, dass Nordkorea mit seinen möglicherw­eise atombestüc­kten Raketen militärisc­he Fakten geschaffen hat, die das strategisc­he Gleichgewi­cht am Nordpazifi­k verändern. Es ist ein Patt entstanden, dass nur durch Bewegung beider Seiten wieder aufzulösen ist.

Das ist kein Prozess von Tagen oder Wochen – und wenn er auf Zeit spielt, hat Kim Jong-un die besseren Karten. Er führt eine Diktatur, die sich nicht zur realen Wahl stellen muss. Er ist jung genug, noch Jahrzehnte an der Macht zu bleiben, wenn er keinen entscheide­nden Fehler begeht. Trumps Amtszeit ist dagegen endlich. Auch dies dürfte ein Grund für die Mission des künftigen US-Außenminis­ters gewesen sein. politik@schwaebisc­he.de

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