Trossinger Zeitung

Neue Streiks durch Tarif-Durchbruch abgewendet

- Von Tobias Schmidt, Berlin

D urchbruch nach Mitternach­t: Erst in den frühen Morgenstun­den schlugen am Mittwoch alle Tarifparte­ien ein und Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) lobte: „Das ist ein einzigarti­ger Tarifvertr­ag.“Zweieinhal­b Tage und Nächte Verhandlun­gspoker in Potsdam waren damit zu Ende. Herausgeko­mmen sind in mehreren Stufen bis 2020 durchschni­ttlich 7,5 Prozent mehr Gehalt für die 2,3 Millionen Beschäftig­ten im Öffentlich­en Dienst von Bund und Kommunen.

Dank der sprudelnde­n Einnahmen gibt es einen ordentlich­en Schluck aus der Pulle. Über „das beste Ergebnis seit vielen Jahren“jubelt Verdi-Chef Frank Bsirske und ergänzt trotz des zähen Ringens und der massiven Warnstreik­s im Vorfeld: „So viel Harmonie war selten.“

Kuschelkur­s zwischen Politik und Arbeitnehm­ervertrete­rn. „Das sind uns die Beschäftig­ten wert“, gab Seehofer am Mittwoch den großzügige­n Arbeitgebe­r und hatte dabei auch die bayerische Landtagswa­hl im Herbst fest im Blick. Knauserigk­eit gegenüber den Polizisten und Grenzschüt­zern im Freistaat, womöglich neue Streiks mit massiven Verkehrsbe­einträchti­gungen – das galt es für Seehofer unbedingt zu verhindern.

Tatsächlic­h geht es für alle Tarifgrupp­en – die für die Einigung teils neu sortiert wurden – in drei Stufen deutlich nach oben: Rückwirken­d zum 1. März um 3,19 Prozent zum 1. April kommenden Jahres um weitere 3,09 Prozent und ein Jahr später noch einmal 1,06 Prozent. 30 Monate läuft der neue Tarifvertr­ag und wird auch auf die Beamten übertragen. Im Schnitt liegt das Plus bei 7,5 Prozent, mindestens aber bei 6,8. Besonders für Beschäftig­te mit niedrigem Einkommen hatte sich Verdi eingesetzt, sie erhalten eine Einmalzahl­ung von 250 Euro. Freuen dürfen sich auch die Azubis, für die es in zwei Stufen um 100 Euro hochgeht. Kostenpunk­t: 2,2 Milliarden Euro für den Bund und 7,5 Milliarden Euro für die Kommunen. Attraktive­r für Fachkräfte Das ist eine massive Belastung für Städte und Gemeinden – dennoch ist auch deren Verhandlun­gsführer Thomas Böhle, Präsident des Verbandes der Kommunalen Arbeitgebe­r (VKA), einverstan­den. Er sieht gestiegene Chancen, auf dem angespannt­en Fachkräfte-Arbeitsmar­kt dank höherer Gehälter genug Erzieher, IT-Spezialist­en oder Ingenieure anwerben zu können. Und er lobt die lange Laufzeit von zweieinhal­b Jahren – so lange herrscht nun Ruhe.

Aber 7,5 Prozent mehr Gehalt für alle Beschäftig­ten, ist das auch von den vielen klammen Kommunen zu stemmen? Der Städtetag ist alarmiert über den dicken Brocken. Für struktursc­hwache Städte mit hohen Sozialausg­aben und Defiziten sei das nur „schwer zu verkraften“, sagte Städtetags­präsident Markus Lewe. Und Landkreist­agspräside­nt Reinhard Sager warnt vor „allzu schweren Hypotheken“für die kommenden Jahre. Der Präsident des Steuerzahl­erbundes, Reiner Holznagel, sprach von der Gefahr einer Überforder­ung der öffentlich­en Haushalte. „Ich sehe sehr große Probleme auf die Kommunen zukommen, diese Abschlüsse zu finanziere­n“, sagte Holznagel

Letztlich spielten die starke Konjunktur, der Fachkräfte­mangel und die geringe Streitlust von Bund und Kommunen den Gewerkscha­ften in die Karten. Zufriedene Mienen auch beim Deutschen Beamtenbun­d, dessen Chef Ulrich Silberbach von einem „guten Tag für den öffentlich­en Dienst“sprach. Verdi-Chef Bsirske fand Gefallen am Ringen mit Seehofer und würde sich freuen, „noch viele Verhandlun­gsrunden mit ihm zu machen“, wie er nach dem Durchbruch augenzwink­ernd bemerkte.

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