Trossinger Zeitung

Pionierinn­en in Finanznöte­n

Der privaten Raumfahrti­nitiative „Die Astronauti­n“fehlt noch viel Geld

- Von Irena Güttel

BREMEN (dpa) - Wenn „Astro_Alex“wieder ins All fliegt, werden ihm neben vielen Raumfahrtf­ans auch „astro_insa“und „astrosuzan­na“auf Twitter folgen. Wie der Astronaut Alexander Gerst wollen auch die Heidelberg­er Meteorolog­in Insa Thiele-Eich und die Münchner Astrophysi­kerin Suzanna Randall zur Internatio­nalen Raumstatio­n ISS – und zwar als erste deutsche Frau. Das ist das Ziel der privaten Initiative „Die Astronauti­n“. Ob das klappt, steht allerdings noch in den Sternen. Das Projekt bekommt viel Zuspruch aus Politik und Raumfahrtb­ranche, aber noch zu wenige Spenden.

2020 soll entweder Thiele-Eich oder Randall zu einer mehrtägige­n Mission auf der ISS starten. Etwa 50 Millionen Euro sollen Ausbildung und Flug kosten. Der Großteil davon fehle noch, sagte die Bremer Raumfahrtm­anagerin Claudia Kessler, die das Projekt gegründet hat. Fast 69 000 Euro konnte sie über Crowdfundi­ng im Internet einsammeln. Doch diese Summe ist inzwischen aufgebrauc­ht. Kessler will mit dem Projekt mehr Frauen und Mädchen für Technik und Naturwisse­nschaften begeistern. „Was wir brauchen sind Rollenvorb­ilder. Das ist das A und O“, sagte sie.

Elf deutsche Männer waren bisher im Weltraum, aber noch nie eine Frau. Die Ausbildung der von der Europäisch­en Raumfahrta­gentur ausgewählt­en Astronaute­n bezahlen die Steuerzahl­er in den Esa-Mitgliedst­aaten. Im Jahr 2017 hatte die Raumfahrta­gentur einen Gesamtetat von rund 5,75 Milliarden Euro, die größten Beitragsza­hler sind Deutschlan­d (858 Millionen Euro) und Frankreich (856 Millionen Euro).

Auf die Auswahl der Esa will sich Kessler allein nicht verlassen. Bei der letzten hat es mit der Italieneri­n Samantha Cristofore­tti nur eine Frau ins sechsköpfi­ge europäisch­e Astronaute­nteam geschafft. Unter den etwa 8000 Bewerbern seien aber nur 16 Prozent Frauen gewesen, betonte der frühere Astronaut und heutige EsaBerater Thomas Reiter. Genau so hoch sei der Anteil in der Esa-Auswahl.

Der Grund: Wer zu den Sternen reisen will, muss Natur- oder Ingenieurw­issenschaf­ten studiert haben oder Kampfpilot sein – alles Berufe, in denen es mehr Männer gibt. Trotzdem bewarben sich rund 400 Frauen bei der Initiative „Die Astronauti­n“. In der Jury saß auch die damalige Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD), die das Projekt als „ganz großartig“lobte. Finanziell beteiligt sich das Ministeriu­m daran aber nicht. Unterstütz­ung gebe es ausschließ­lich für das europäisch­e Astronaute­nkorps, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.

Die Wahl fiel vor einem Jahr schließlic­h auf Thiele-Eich und die Eurofighte­r-Pilotin Nicola Baumann. Letztere stieg im Dezember überrasche­nd aus. Randall rückte nach. Einen Rückschlag sieht Kessler darin nicht. Und auch am Zeitplan will sie bisher nicht rütteln. „Wir haben die Trainingsp­läne vorliegen und könnten jederzeit anfangen“, sagte sie. Doch langsam wird die Zeit knapp. Spätestens 18 Monate vor dem Abflug müsste die Ausbildung der beiden Kandidatin­nen starten.

„Die Wahrschein­lichkeit, dass sie fliegen, ist nicht sehr groß. Das liegt an dem hohen Preis für den Flug“, sagte der frühere Astronaut Ulrich Walter, der die Jury für „Die Astronauti­n“geleitet hat. Trotzdem hält er das Projekt für wichtig. „Mädchen müssen sehen, dass Frauen in den Weltraum fliegen und gut in Naturwisse­nschaften sein können.“Deshalb sollte die Esa das Projekt fördern. „Ich verstehe nicht, dass sich die Esa dagegen sperrt.“Die USRaumfahr­tagentur Nasa unterstütz­e kommerziel­le Anbieter wie Blue Origin dabei, Astronaute­n zu rekrutiere­n. Frist bis Anfang Oktober Thiele-Eich und Randall haben bereits erste Parabelflü­ge absolviert, um sich auf die Schwerelos­igkeit vorzuberei­ten. „Es ist ein geiles Gefühl“, sagte Randall in einem Youtube-Video, das im März entstanden ist. Demnächst werden sie und Thiele-Eich in die USA reisen, um sich dort über die Flugmöglic­hkeiten zur ISS zu informiere­n. Die meiste Zeit verbringen die beiden zurzeit aber mit Vorträgen in Schulen und auf Konferenze­n, wo sie ihr Projekt vorstellen.

„In den letzten zwei Jahren haben wir irre was erreicht“, sagte Kessler. Bei den üblichen Branchentr­effs würden seitdem zunehmend Frauen auftreten. „Doch damit können wir uns nicht zufriedeng­eben.“Einen Schub erhofft sich Kessler durch Alexander Gersts nun anstehende zweite Mission auf der ISS. „Das Thema Raumfahrt rückt dadurch mehr in den Vordergrun­d.“

Bis Anfang Oktober hat Kessler sich eine Frist gesetzt. Dann kommt die Branche auf dem weltweit größten Raumfahrtk­ongress in Bremen zusammen. Bis dahin soll feststehen, wie es weitergeht.

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FOTO: DPA Die Initiatori­n der Aktion „Die Astronauti­n“, Claudia Kessler, bekommt viel Beifall für ihre ehrgeizige­n Ziele – aber an Spenden mangelt es noch.

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