„Tracht zu tragen ist mir eine Ehre“
Jugend- und Tanzgruppen der Banater Schwaben führen Tradition der Eltern fort
SPAICHINGEN - Sie sind der ganze Stolz der Eltern und Großeltern. Und sie haben wieder eine ganz andere Haltung zu ihrer Migrationsgeschichte als Banater Schwaben: Respekt vor den Vorfahren, Stolz, in dieser Reihe zu stehen, fest verwurzelt in Villingen, Schwenningen, Spaichingen, Aldingen und anderen Gemeinden. Rund 60 Jugendliche bilden die Jugend- und Tanzgruppen des Kreisverbands der Banater Schwaben.
Die Altersspanne ist relativ groß und trotzdem fühlen sie sich als Gemeinschaft, erzählen die Jugendlichen im Gespräch. Bella Graumann ist mit zwölf Jahren die Jüngste, Sebastian Schöps aus Schwenningen mit 23 Jahren der älteste. Die Verbindung, erzählt Anja Schöps (19), ist das Tanzen. Vor zehn Jahren hat Brigitte Polling auf Anregung Richard Wagners die Jugendgruppe gegründet und wurde später durch Christine Wollanka verstärkt. „Mir ist das zugeflogen, ich liebe Kinder über alles“, sagt Brigitte Polling.
Die Jugendlichen halten zusammen und doch lebt jeder sein Leben. Als die Frage auftaucht, wer gerne von der dritten hier lebenden Generation der Banater Schwaben erzählen will, reicht eine Nachricht in Facebook – und sicher 20 Jugendliche kommen zum Gespräch mit der Zeitung.
So sei es immer, erzählen sie. Alle leben ihre Leben, die älteren wie Julia, Sebastian oder Seline Ehmann studieren, aber zum Tanztraining oder wenn sonst etwas ansteht, oder auch bei der Freizeitgestaltung, ist man da.
Was bringt junge Leute dazu, sich auf der Basis der Vergangenheit zusammen zu finden? Es sind die Wurzeln, die die Eltern und Großeltern mitgenommen haben. Gute Erinnerungen an eine tolle Jugend, erzählt Fabian Wollmann. Das hält zusammen. Die Mädchen und Jungen der hier geborenen Generation sind zusammen aufgewachsen, oft sind die Eltern in der Landsmannschaft aktiv, viele haben als Cousinen oder Großcousinen auch wörtlich gemeinsame Wurzeln.Eine Migrationsgeschichte, wie es viele gibt? Nein, man sei deutsch, sagen die Jugendlichen. Die Mutter habe ihr das einmal so erklärt, so Julia Polling: Wenn eine Kuh in einem Schweinestall geboren werde, sei sie dann eine Kuh oder ein Schwein? Das Beispiel hinkt ein wenig. Wenn eine Holsteiner Kuh in einem Allgäuer Braunviehstall geboren wird, was ist sie dann?
Aber um das geht es den Jugendlichen nicht. Für sie ist die Bindung an die Banater Tanzgruppe mehr ein Bekenntnis zu den eigenen Eltern und Großeltern, denn alle sind sie Europäer – zusammen mit der früheren Heimat. Das sei sowieso das Übergeordnete, sagt Fabian. „Es ist mir eine Ehre, die Tracht meines Vaters zu tragen.“
Die Mädchen und Jungen tragen tatsächlich die Trachten, die bereits ihre Großväter und -mütter bei Kirchweih- und anderen Festen getragen haben. Die Omas pflegen sie oft – und wenn sie ihre Enkelin darin sehen, kommen ihnen manchmal die Tränen. „Sie freuen sich, wenn wir sie tragen“, erzählt Pia Molitor. Und sie selbst sind gerührt, wenn sie ihre Oma in genau derselben Tracht auf Fotos sehen, mit der sie heute tanzen. Wurzeln halt, Geborgenheit.
Man kommt ein wenig durcheinander, wenn die Jugendlichen von ihren Verwandschaftsverhältnissen erzählen, so wie Selina Gehring, die durch ihre Schwester zum Tanzen kam. Aber es gibt noch mehr Aktivitäten. Und weil man quasi zusammen aufwachse, helfe man sich auch untereinander, berichtet Julia. Das ist das Gegenteil der Erfahrung der Eltern in Rumänien, nicht dazu zu gehören. Zeltlager und Tanzseminar Tanzseminar, Zeltlager, Bundestreffen, Seminare zu anderen Traditionen und vieles mehr gehört zum Programm der Jugendlichen. Tobias Domkos aus Villingen studiert in Freiburg Musik und Mathe. Er leitet eine Musikgruppe – die Lieder von früher, gesungen auch bei Festen, sind ein wichtiger Teil der Banater Kultur.
Durch die Jugendgruppe kommen die Jugendlichen mit ihren Eltern und Großeltern ins Gespräch. Sie erzählen von den Festen, auf die man gespart habe, auch durch Verzicht. Dabei wurde das Brot mit Wasser und Zucker eher zu einer Köstlichkeit, die nach Heimat schmeckt, erzählt Luise Tepes (16). Und manchmal ist es ganz nützlich, so viel von der Jugend der Eltern zu wissen. Zum Beispiel, wenn es ums erste Bier geht, lacht Dominik Neidenbach (19).
Jetzt freuen sich alle aufs Jubiläumsfest.