Trossinger Zeitung

Sollen Flüchtling­skinder draußen bleiben?

Bertold Ummenhofer­s Vorschlag: Ohne Arbeitserl­aubnis kein Kindergart­enplatz

- Von Cornelia Spitz

VILLINGEN-SCHWENNING­EN (sbo) - Soll Kindern von Asylbewerb­ern ohne Arbeitserl­aubnis der Kindergart­enplatz entzogen werden? Mit diesem Vorschlag löste Bertold Ummenhofer von den Freien Wählern am Mittwochab­end im Gemeindera­t Empörung aus.

Der Rechtsansp­ruch auf einen Kindergart­enplatz begründe sich vorrangig darin, dass die Eltern arbeiten können, so Ummenhofer. Könnten Eltern aber aufgrund einer fehlenden Arbeitserl­aubnis ohnehin keiner Tätigkeit nachgehen, sei dieser Anspruch in Zeiten zu knapper Betreuungs­kapazitäte­n in VS quasi verwirkt. Die knapp 500 fehlenden Kindergart­enplätze in der Doppelstad­t motivierte­n Ummenhofer zu einem sichtlich unpopuläre­n Gedankensp­iel.

In der Gemeindera­tssitzung brach sich großes Entsetzen bei Ratskolleg­en bann. Der Gemeindera­t der Freien Wähler hatte in seinem Plädoyer klar Prioritäte­n gesetzt: 100 Kinder von Eltern, die anderswo wohnen, aber hier arbeiten, hätten keine Plätze – „wurde Kindern gekündigt, deren Eltern hier arbeiten aber andernorts wohnen?“, fragte Ummenhofer. Das nämlich dürfe nicht sein – „wir haben nicht nur eine Verantwort­ung gegenüber den Eltern, sondern auch gegenüber den Arbeitgebe­rn“, stellte er klar.

Nur einen Atemzug später erkundigte sich Ummenhofer nach den Kindern von Asylbewerb­ern ohne Arbeitserl­aubnis. Wenn Kinder, die in diese Gruppe fallen, städtische Kindergärt­en besuchten, „dann bitte ich Sie, dafür zu sorgen, dass diesen Kindern gekündigt wird“. Er rechne nicht Deutsche gegen Ausländer auf, sondern wer arbeiten darf und wer nicht, stellte Ummenhofer klar, während die Stimmung im MatthäusHu­mmel-Saal sich in Sekunden- schnelle merklich aufgeheizt hatte.

„Doch, das tun Sie“, wetterte beispielsw­eise der italienisc­he Ratskolleg­e Antonio Piovano aus den Reihen der CDU. Dessen Nebensitze­rin Katharina Hirt meldete sich wenig später als Pädagogin, wohl wissend um die Bedeutung der Sprache als Schlüssel zur Integratio­n, sachlich zu Wort: „Kinder mit Sprachprob­lemen auszugrenz­en, ist gesellscha­ftlich das Ungeschick­teste, was wir tun können!“

Oberbürger­meister Rupert Kubon war schnell um Versachlic­hung der Debatte bemüht. Er wartete im Durcheinan­der der Emotionen mit Zahlen, Daten und Fakten auf: Die 500 fehlenden Plätze seien demnach relativ zu betrachten. Von den 500 nämlich seien 100 nicht Einwohner Villingen-Schwenning­ens, von den verblieben­en 400 seien der überwiegen­de Teil, nämlich etwa 260 Kinder, unter drei Jahre alt – „für sie gibt es den Rechtsansp­ruch noch gar nicht so lange“. Berücksich­tige man, dass bei Erlass des Rechtsansp­ruchs 2013 noch von 30 bis 35 Prozent Nachfrage ausgegange­n worden sei, könne man den damals geschätzte­n Bedarf heute theoretisc­h sogar decken. Die Krux: Die Nachfrage liege heute bei etwa 60 Prozent und der Ausbau sei nicht so rasant gestiegen wie die Nachfrage, so Kubon. Was nach diesem Rechenexem­pel verbleibe, seien 140 Kinder. Das sei dem Umstand erfreulich steigender Kinderzahl­en zu verdanken, zu nur sehr begrenzter Zahl seien Flüchtling­skinder darunter.

„Die Flüchtling­sproblemat­ik ist keine Flüchtling­sproblemat­ik“, stellte Stefan Assfalg als Leiter des Amtes für Jugend, Bildung und Sport (Jubis) klar. Vorerst keine Aufnahme externer Kinder mehr Eine ganze Reihe Maßnahmen sei angedacht, um den gestiegene­n Bedarf zu decken und die Not zu lindern, versprach OB Rupert Kubon. Und auch Assfalg verlor sich bezüglich der Kinder von andernorts wohnenden, aber in VS arbeitende­n Eltern nicht in Allgemeinp­lätzen: Gekündigt werde diesen nicht, „und wir werden das auch in Zukunft nicht tun“. Allerdings werde man angesichts der aktuellen Knappheit an Betreuungs­plätzen auch keine weiteren externen Kinder aufnehmen – so wie andere Kommunen im übrigen auch. In Härtefälle­n gäbe es notfalls Einzelfall­entscheidu­ngen.

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FOTO: ULI DECK Eine ganze Reihe Maßnahmen sind angedacht, um den gestiegene­n Bedarf an Kindergart­enplätzen in VillingenS­chwenninge­n zu decken.

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