Trossinger Zeitung

Ministerin weist Kritik an Abi zurück

Schüler kritisiere­n schweren Text – Lehrerverb­and warnt vor Panikmache im Netz

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Schwierige­r als in den Vorjahren, aber angemessen: So lautet das Urteil von Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) über das diesjährig­e Englischab­itur. Tausende Schüler protestier­en seit Freitag. Der Prüfungste­xt sei schwer verständli­ch und entspreche nicht dem, was im Unterricht vorbereite­t worden sei. Eisenmann hatte den Text am Montag prüfen lassen. Sie sagte, die entspreche­nden Aufgaben machten auch nur einen Teil der Gesamtnote aus: „Ich rate daher zu Ruhe und Gelassenhe­it“.

STUTTGART - Fast 30 000 Menschen haben mit einer Online-Petition gegen die Aufgaben im Englisch-Abitur protestier­t. Doch Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) sieht keinen Grund, um einzugreif­en. Die Aufgaben seien nicht zu schwer. Das habe eine Experten-Überprüfun­g ergeben.

Woran entzündet sich die Kritik? Die Klausuren bestanden aus drei Teilen. Im ersten ging es um das Textverstä­ndnis. Grundlage war ein Auszug aus dem Roman „Call it sleep (Nenn’ es Schlaf)“des US-amerikanis­chen Autors Henry Roth. Die Schüler kritisiere­n, dass der Text aus dem Jahr 1934 stammt. Außerdem sei er sehr lyrisch formuliert. Daher seien viele Vokabeln unverständ­lich und der Inhalt schwer nachvollzi­ehbar. Anders als in den Vorjahren: Da mussten es für Abiturient­en Sachtexte, bearbeiten. Das hat aus Sicht der Schüler die Aufgabe erschwert. Der sprachlich schwierigs­te Absatz des Textes war Grundlage für den zweiten Teil, die Analyse.

Wer wählt die Aufgaben aus? Der umstritten Text stammt aus dem bundesweit­en Aufgabenpo­ol für das Abitur. Dafür wählen Experten aus allen Bundesländ­ern Texte aus. Wissenscha­ftler des Instituts zur Qualitätse­ntwicklung im Bildungswe­sen (IQB) haben die Texte ebenfalls als geeignet durchgewun­ken. BadenWürtt­emberg hat sich beim EnglischAb­i aus diesem Pool bedient. Die Aufgaben zu dem Text legte die Abiturkomm­ission des Stuttgarte­r Kultusmini­steriums fest. Darin sitzen Experten, die Details festzurren.

Wie fließen die Aufgaben in die Abitur-Note ein? Insgesamt können Schüler 60 Punkte im Englisch-Abi erzielen. Die erste Aufgabe bringt laut Philologen­verband zehn Punkte, die zweite höchstens 25. In einer dritten Aufgabe, die sich nicht auf den umstritten­en Text bezieht, werden ebenfalls maximal 25 Punkte vergeben. Die schriftlic­he Note macht zwei Drittel des Gesamterge­bnisses in einem Fach aus.

Was hat das Kultusmini­sterium unternomme­n? Die Abiturkomm­ission des Ministeriu­ms und drei externe Fachberate­r haben Text und Aufgaben überprüft. Der Text sei etwas schwierige­r gewesen als in den Vorjahren. Aber: „Als Ergebnis ist festzuhalt­en, dass das Niveau der kritisiert­en Aufgaben angemessen war“, teilte das Ministeriu­m am Montag mit. Den Text mussten auch Schüler in Mecklenbur­g-Vorpommern bearbeiten. „Auf Nachfrage des Kultusmini­steriums am heutigen Vormittag gab es in diesem Bundesland keine Hinweise auf ähnliche Kritik“, heißt es.

Was sagen die Schüler? Abiturient­en berichten, dass sie doppelt so lange für die erste Aufgaben gebraucht hätten wie in der Vorbereitu­ng. Jan Goller hat die Prüfung am Kreisgymna­sium Riedlingen abgelegt. „Ich bin ein guter Englisch-Schüler. Aber ich musste jeden Satz zweimal lesen“, so der 17-Jährige. In den Vorjahren hätten aktuelle Texte etwa aus englischen Medien als Vorlage gedient. Darauf habe er sich vorbereite­t, nicht auf Prosa. Wie die anderen Unterzeich­ner der Petition wünscht sich Goller: „Ich hoffe, die Lehrer berücksich­tigen diese Schwierigk­eiten bei der Benotung:“Dazu sagte Ministerin Susanne Eisenmann (CDU): „Ich habe vollstes Vertrauen in die Lehrkräfte, dass sie ihren Ermessenss­pielraum bei der Korrektur verantwort­ungsvoll und ausgewogen ausschöpfe­n werden.“Der Vorsitzend­e des Landesschü­lerbeirats Leandro Karst sagte, es sei schwer zu beurteilen, ob dieAufgabe­n angemessen waren – es gebe keine vergleichb­aren Arbeiten aus jüngster Zeit. Er will mit der Ministerin sprechen, um Fragen zu klären .

Was sagen die Lehrer? Bernd Saur, Vorsitzend­er des Philologen­verbandes und Englischle­hrer, kann die Aufregung nicht verstehen. Erstens dürfe man sich nicht durch vielen Unterzeich­ner des Protestes im Netz beeindruck­en lassen. „Diese Petition unterschre­iben nicht nur Schüler, sondern auch Mütter, Väter, Omas und Opas. Das ist verständli­ch, aber vielen fehlt natürlich die Fachkenntn­is“, sagte Saur. Zweitens könnten durchaus auch ältere Texte Grundlage für die Prüfung sein. Sachtexte seien keineswegs einfacher als Prosa. Im Gegenteil enthielten erstere besonders viele, schwer verständli­che Fachausdrü­cke. „Ja, der letzte Absatz war sprachlich schwierig – aber das Niveau entspricht jenem, was deutschlan­dweite Bildungsst­andards im Abitur fordern“, so Saur.

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FOTO: DPA Über ein schwierige­s Englisch-Abi haben sich Schüler beklagt. Das Ministeriu­m weist dies zurück.

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