Trossinger Zeitung

Warum die Freiburger OB Salomon abgewatsch­t haben

Amtsinhabe­r unterlag im ersten Wahlgang, weil er vielen zu abgehoben war – und manchen zu wenig links

- Von Jürgen Ruf

FREIBURG (lsw) - Mit dem Ergebnis hat wohl kaum jemand gerechnet. Der Freiburger Oberbürger­meister Dieter Salomon muss nach der Oberbürger­meisterwah­l um seinen Job bangen. Vor 16 Jahren war er das erste grüne Stadtoberh­aupt einer deutschen Großstadt. Der 57-Jährige zählt zu den bekanntest­en Grünen im Südwesten – zeitweise wurde sogar spekuliert, er könne irgendwann Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) beerben. Am Sonntag wurde Salomon bei der OB-Wahl im ersten Wahlgang von einem weithin unbekannte­n Herausford­erer der SPD überholt. Salomon hat nun zwei Wochen Zeit, um das Blatt zu wenden. Sonst droht ihm am 6. Mai, wenn die Freiburger erneut zur Stimmabgab­e aufgerufen sind, die Abwahl.

Im Jahr 2002 landete Salomon einen überregion­al beachteten Coup. Er habe Freiburg „im Sturm erobert“, hieß es damals. Fast zwei Drittel der Freiburger Wähler votierten für den Fraktionsc­hef der Grünen im Stuttgarte­r Landtag und machten ihn zum neuen Oberbürger­meister. Acht Jahre später, bei seiner ersten Wiederwahl in Freiburg, siegte Salomon bereits im ersten Wahlgang.

Nun strebt er seine dritte Amtszeit an. Der erste Wahlgang am Sonntag wurde für ihn zum Debakel. Salomon erhielt 19,2 Prozentpun­kte weniger als bei der vergangene­n Wahl. Und es blieb für ihn als Amtsinhabe­r nur Platz zwei. Der parteilose Sozialexpe­rte Martin Horn (33) aus Sindelfing­en holte 3,4 Prozentpun­kte mehr als er. Am 6. Mai wird erneut gewählt. Bleibt Horn vor Salomon, ist dieser das Amt los. Horn wird von der SPD unterstütz­t, Salomon von den Grünen. „Der Wechsel ist real“, sagt Horn. Vor Salomon stellte die SPD 20 Jahre lang in Freiburg den Oberbürger­meister.

Salomon tritt selbstbewu­sst auf. Möglicherw­eise war er sich seiner Wiederwahl zu sicher. Den ersten Wahlgang wertet er selbst als „Denkzettel“. In der viertgrößt­en Stadt Baden-Württember­gs, die stark wächst, sind die Mieten hoch. Wohnraum ist Mangelware. Es habe sich eine Unzufriede­nheit breit gemacht, die inhaltlich schwer zu greifen sei, sagt Salomon. Der Grünen-OB muss zudem mit der Kritik leben, abgehoben zu sein. Aus seiner Partei heißt es, Salomon setze kaum auf grüne Themen. Gegenwind in der als linksliber­al geltenden Stadt hat er stets vor allem von linker Seite. Im Wahlkampf wurde das für Salomon, der seine Erfahrung betonte und für Kontinuitä­t warb, zum Problem. Vor allem in den grünen Hochburgen seiner Stadt hat er deutlich Stimmen verloren.

„Salomon hat einen attitüdenh­aften Wahlkampf von oben herab gemacht, während sein Herausford­erer Horn einen engagierte­n Nettigkeit­swahlkampf betrieben hat, in dem inhaltlich­e Substanz nicht an erster Stelle stand“, sagt Michael Wehner von der Landeszent­rale für politische Bildung in Freiburg. Horn sei persönlich präsent, Salomon habe das versäumt. Wolle Salomon siegen, müsse er einen „Last-Minute-Wahlkampf“machen. Endgültig entschiede­n sei die Wahl noch nicht.

Salomon, der dem realpoliti­schen Flügel der Grünen zugeordnet wird, hat als Oberbürger­meister keine Parteipoli­tik betrieben. Auf GrünenPart­eitagen ließ er sich seit 16 Jahren kaum noch blicken. Überregion­ale Parteifrag­en erörterte er nur ungern – schon gar nicht in der Öffentlich­keit. Er konzentrie­rte sich auf seine Stadt. Dort regiert er mit einem Gemeindera­t, in dem Grüne und CDU die Mehrheit bilden. Mit Grünen und CDU schmiedete Salomon in 16 Jahren häufig Allianzen.

„Wir arbeiten gut mit ihm zusammen“, sagt der CDU-Fraktionsc­hef im Gemeindera­t, Wendelin Graf von Kageneck. „Wir wünschen uns, dass er im Amt bleibt.“Ob die CDU Salomon den Wählern empfehle, sei noch offen. Auf einen eigenen Bewerber haben die Christdemo­kraten verzichtet. Gegen Salomon wollte niemand in der Partei antreten.

„Der Fall Freiburg ist ungewöhnli­ch“, sagt Politikwis­senschaftl­er Wehner. Nur in 4,9 Prozent aller Fälle sei ein amtierende­r Bürgermeis­ter im Südwesten, der erneut kandidiert­e, abgewählt worden.

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FOTO: DPA Dieter Salomon
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