Schlechtes Wahlergebnis schnell verdaut
Andrea Nahles will Beweis antreten, dass Regieren und Erneuern möglich ist
BERLIN - Gut weggesteckt hat die neue SPD-Parteichefin Andrea Nahles das schlechte Ergebnis bei ihrer Wahl zur SPD-Vorsitzenden. Schon am gleichen Abend kündigte sie im „Heute Journal“an: „Ich trete ab morgen den Beweis an, dass Regieren und Erneuern möglich ist.“
Die Parteispitze hat sich am Montag noch einmal ausdrücklich hinter Andrea Nahles gestellt. Vize Ralf Stegner sagte, sie werde auch das Vertrauen derer gewinnen, die nicht für sie gestimmt haben. SPD-Vize Malu Dreyer sieht genug Rückhalt für Nahles. Dreyer und auch Vize Manuela Schwesig meinten allerdings genau wie die baden-württembergische SPD-Chefin Leni Breymaier, dass sie sich ein besseres Ergebnis für Nahles gewünscht hätten.
Andrea Nahles hatte bei ihrer Kandidatur auf dem Parteitag in Wiesbaden die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange als Gegenkandidatin. Nahles erhielt gut 66 Prozent, Lange knapp 28 Prozent.
Für die erste Frau an der Spitze der SPD hatten sich viele ein besseres Abschneiden erwartet. Trotz dieses Dämpfers muss Nahles nun energisch weitermachen, wenn sie ihr Versprechen auf Erneuerung der Partei erfüllen will. Mit Interesse wird sie jetzt von den anderen Parteien beobachtet. Während Dietmar Bartsch, Fraktionschef der Linken, mit Nahles’ Wahl eine Chance für einen Linksrutsch der SPD ausmacht, meinte FDP-Chef Christian Lindner, dass sich die SPD „in der linken Ecke selbst verzwergen will.“Er bedauere dies, weil der FDP dann Ansprechpartner jenseits der Union fehlten.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl-Heinz Brunner aus Illertissen hält das Ergebnis von Nahles für ein „ehrliches Ergebnis“. Im Hinblick auf den bevorstehenden bayerischen Landtagswahlkampf verspricht sich Brunner, dass Andrea Nahles das Profil der Partei mit Sicherheit besser schärfen könne als ein Parteivorsitzender, der gleichzeitig Minister ist. Der Fraktionsvorsitz sei hier günstiger. Brunner hat Recht, denn Andrea Nahles hat bereits gezeigt, dass sie auch in ihrer neuen Doppelfunktion Druck machen will und kann. Der SPD-Parteivorstand – und damit sie als Parteivorsitzende – dringen auf eine Lösung des Konflikts um das Werbeverbot für Abtreibungen bis zum Herbst. Sollte ihre Fraktion bis dahin mit der Unionsfraktion keinen Kompromiss über eine Gesetzesänderung finden, müsse die Abstimmung im Bundestag freigegeben werden, heißt es im Beschluss des Parteivorstands. In diesem Fall wäre eine Mehrheit für eine Reform des Paragraphen 219a oder dessen Abschaffung wahrscheinlich (siehe den nebenstehenden Text). Rückhalt der Partei ist wichtig Genau wie Andrea Nahles nach vorne schaut, rät auch der Abgeordnete Karl-Heinz Brunner, sich nicht mit Wahlnachlesen aufzuhalten. Viel wichtiger als die Diskussion über Wahlergebnisse ist für ihn, „dass wir jetzt das machen, was wir uns in die Hand versprochen haben: vernünftig regieren und die Erneuerung der Partei in Angriff nehmen.“
Wichtig dabei dürfte Martin Schulz Rat an den Parteitag sein. Man brauche den Rückhalt in der Partei, um sich mit dem politischen Gegner beschäftigen zu können und nicht mit der eigenen Partei, hatte Schulz gemahnt.