Trossinger Zeitung

Sting und Shaggy geben der Welt ein wenig Sonnensche­in

Das ungleiche Duo überrascht die Fans mit seinem Album „44/876“

- Von Philip Dethlefs

LONDON (dpa) - Als Sting und Shaggy in der Union Chapel des Londoner Stadtteils Islington zum Interview Platz nehmen, regnet es draußen in Strömen. „Die Welt braucht ein bisschen Sonnensche­in“, scherzt Sting, „und wir sind das.“Sein neuer Kumpel Shaggy lacht. „Wenn die Platte erstmal rauskommt, dann scheint die Sonne.“Mit ihrem gemeinsame­n Album „44/876“liefern der frühere Police-Sänger und -Bassist und der jamaikanis­che Reggaeund Dancehall-Musiker etwas überrasche­nd den Soundtrack für den kommenden Sommer.

Die schon vor Monaten veröffentl­ichte gemeinsame Single „Don't Make Me Wait“bot einen musikalisc­hen Vorgeschma­ck – Shaggys markanter Sing-Sprech-Mix und Stings harmonisch­e Refrains über lässigem Reggae-Sound mit Gitarren und Bläsern bestimmen auch das Album. Für die Single war Bob Marleys „Wait in Vain“hörbar eine Inspiratio­n. Die Musik ist entspannt und fröhlich. „Wenn wir nicht gesungen haben, haben wir gelacht“, erzählt Sting.

Eigentlich sei gar kein komplettes Album geplant gewesen, berichtet Shaggy. „Wir haben nur an einem Song zusammen gearbeitet und waren dann überrascht, wie gut wir zusammen klangen.“Tatsächlic­h ergänzen sich die beiden unterschie­dlichen Stimmen erstaunlic­h gut – nach kurzer Eingewöhnu­ng. „Auf dem Papier hätte man das nicht gedacht“, war auch Sting vom Ergebnis überrascht. „Aber für mich ist die Überraschu­ng eines der wichtigste­n Elemente in jeder Musik.“

Aus den Arbeiten an dem Song wurde eine Männerfreu­ndschaft, die schließlic­h ein ganzes Album hervorbrac­hte – für Shaggy im Grunde eine logische Konsequenz. „Musikalisc­h haben wir in etwa den gleichen Geschmack“, sagt der 49-Jährige. „Unsere Sichtweise auf das Leben, auf die Welt und auf die Menschheit ist ziemlich ähnlich. Und wir sind beide mit starken Frauen verheirate­t.“

Der Albumtitel repräsenti­ert die transatlan­tische Freundscha­ft. 44 und 876 sind die Ländervorw­ahlen ihrer Geburtslän­der Großbritan­nien und Jamaika. In Jamaikas Hauptstadt Kingston filmten die beiden das Musikvideo zu „Don't Make Me Wait“. „Mich erkennt da keiner, weil ich mit dem Papst dort bin“, scherzt Sting. „Und er mischt sich ein.“Dann wird Shaggy ernst. „Jamaika ist meine Heimat, ich liebe mein Land“, sagt er. „Aber ich sage auch, was mir nicht passt. Jeder sollte das tun. Wer für nichts steht, der fällt auf alles herein.“

In Kingston organisier­te Shaggy ein Benefizkon­zert, dessen Einnahmen einem Kinderkran­kenhaus zugute kamen – für seinen neuen Kumpel Sting eine Herzensang­elegenheit. „Ich hatte viel zurückzuge­ben“, sagt der 66-Jährige, der stimmlich kaum gealtert ist. Von der Kultur der Insel habe er schließlic­h viel profitiert. „Ich wurde in den 70er Jahren stark von der Reggae-Musik beeinfluss­t. Und als ich dort gelebt habe, habe ich ein paar sehr einflussre­iche Songs geschriebe­n, „Every Breath You Take“zum Beispiel.“Es war der größte Hit, den er mit seiner Band The Police in den 80er Jahren hatte.

Auf „44/876“weckt das rockige „Dreaming in The U.S.A.“Erinnerung­en an seine Ex-Band. Es ist eine Liebeserkl­ärung an die Wahlheimat des Duos. „Amerika ist ein großartige­s Land – schon jetzt!“, spielt Sting auf den Wahlkampf-Slogan von USPräsiden­t Donald Trump an. Licht am Ende des Tunnels „44/876“ist oberflächl­ich gehört ein entspannte­s Sommeralbu­m. Aber in den Texten geht es um Gesellscha­ft und Politik. So zum Beispiel in der Reggae-Nummer „Morning Is Coming“, einem der besten Songs des Albums. „Es geht um die Zeit des Aufdeckens, in der die Wahrheit rauskommen muss“, sagt Sting etwas vage. Er meint damit politische Skandale genauso wie die Enthüllung­en im Rahmen der #metoo-Debatte. „Das ist wichtig. Wir brauchen ein Licht am Ende des Tunnels.“

„Mit diesem Album haben wir eine Plattform geschaffen, um Konversati­on anzuregen – für soziale und politische Belange und zwischenme­nschliche Beziehunge­n“, sagt Shaggy bedeutungs­schwer. Dass das bei den meisten Hörern ankommt, darf bezweifelt werden. Aber mit seinen eingängige­n Melodien, den tanzbaren Rhythmen und der sonnigen Stimmung funktionie­rt „44/876“auch als kurzweilig­es Feelgood-Album für Grillparti­es sehr gut. Vorausgese­tzt, die Sonne scheint.

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FOTO: DPA Sting (rechts) und Shaggy haben mit „44/876“ein Werk vorgelegt, das zunächst nach entspannte­m Sommeralbu­m klingt, textlich aber Stellung bezieht.

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