Trossinger Zeitung

Auschwitz-Überlebend­er besucht Schüler

Jacek Nadolny erzählt am Trossinger Gymnasium seine Geschichte

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TROSSINGEN – Als Kind wurde er ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert, konnte nach dem Einmarsch der Russen flüchten und hat jetzt seine Geschichte den Trossinger Gymnasiast­en erzählt: Der gebürtige Warschauer Jacek Nadolny war vor Kurzem zu Gast im Geschichts­unterricht der Klassenstu­fe 9. Robin Möß, der das Trossinger Gymnasium besucht, hat den folgenden Text über die Begegnung geschriebe­n.

„Eine große Ehre, eine große Freude, begleitet mit großem Stolz“, zeigte sich Thomas Herrmann über den Besuch erfreut, der gemeinsam mit Josef Sellner von der Fachschaft Geschichte als betreuende­r Lehrer dabei war. Herrmann gab den Schülern eine kleine geschichtl­iche Einleitung, dann übernahm Jacek Nadolny.

Seine Geschichte begann mit dem Warschauer Aufstand im Jahr 1944, bei dem sich die polnische Untergrund­armee erhob. Nadolny war sechs Jahre alt, als er erlebte, wie sich die polnische Armee erhob und sich gegen die Nationalso­zialisten stellten, um Deportatio­nen in Vernichtun­gslager zu stoppen. Durch die Übermacht der Nazis schlug dieser Versuch fehl.

Auch Jacek Nadolny wurde mit seinen Eltern in einem Viehwaggon des Deportatio­nszuges nach Auschwitz gebracht. Dort, getrennt von seinen Eltern, wurde er in Baracken gesteckt, zusammen mit anderen Kindern, die zur harten Arbeit nicht kräftig genug waren. Seine Mutter musste arbeiten, seinen Vater sah er nach der Trennung nie wieder – er starb später im Steinbruch Natzweiler, wie er Jahre danach erfuhr.

Sein Alltag im KZ habe aus Herumsitze­n bestanden, erzählte Nadolny. Mit vielen Kindern war er eingepferc­ht auf kleinen Pritschen zum Schlafen. Im Sommer war es heiß, im Winter bitterkalt, und in den angrenzend­en Baracken quälten und vergasten die Nazis Juden, so seine Erinnungen. Glückliche­rweise habe seine Mutter herausgefu­nden, wann in die Duschen Gas und wann Wasser geleitet wurde. Glück im Unglück Zwei Wochen vor dem Kriegsende kam Nadolny mit seiner Mutter nach Berlin-Blankenbur­g. Er lebte wieder allein unter anderen Kindern, seine Mutter musste hart arbeiten. Beide entkamen dem Tod, als die Russen in Berlin einmarschi­erten. Die Juden konnten flüchten, der Krieg war vorbei.

Zurück in Warschau erwartete Jacek Nadolny und seine Mutter ein Trümmerfel­d. Die Nazis hatten den Juden Hab und Gut, ja sogar ihre Identität genommen. Doch Nadolnys Leben ging weiter: Mit acht Jahren wurde er in die Schule geschickt, erzählte er den Gymnasiast­en – sein Trauma sei aber schwerwieg­end gewesen. Weil er Zahlen und Buchstaben nicht beherrscht­e, wurde er ausgelacht. Statt zu lernen, was er psychisch nicht schaffte, spielte er auf der Straße. Ohne Abschluss verließ er schlussend­lich die Schule. Nach 50 Jahren zurück im KZ Bis er so offen wie bei der Begegnung im Trossinger Gymnasium über diese Zeit sprechen konnte, dauerte es: Erst mit 50 habe er das geschafft, sagte er. Erst vor Kurzem hat er das KZ besucht und seine Pritsche berührt, die noch immer existiert.

Heute kann Jacek Nadolny wieder fröhlich sein, lacht gerne, hat seine eigene Familie, drei Enkelkinde­r – alle studiert. So hofft er nun auf Urenkel, die ihn vielleicht noch jünger halten, als er sowieso schon scheint. Seine Botschaft an die Jugendlich­en war einfach: „Denkt mit dem Herzen, seid offen für die Welt – dann entsteht kein Hass auf irgendwelc­he Menschen.“Und: „Es gibt gute und es gibt schlechte Menschen – und es gibt sie überall.“

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