Trossinger Zeitung

Landrat Bär beruft Wohnraumgi­pfel ein

Kreisverwa­ltung will bei Mangel gegensteue­rn – Armuts- und Reichtumsb­ericht vorgelegt

- Von Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Was ist arm? Was ist reich? Mit dieser Definition hat es sich die Kreisverwa­ltung nicht leicht gemacht. Auf Wunsch der SPD-Fraktion im Kreistag legte Sozialplan­er Wolfgang Hauser einen ersten Armutsund Reichtumsb­ericht für den Landkreis Tuttlingen vor. Als Konsequenz daraus wird Landrat Stefan Bär voraussich­tlich im Herbst einen Wohnraumgi­pfel auf Kreisebene einberufen.

Denn steigende Mieten und Wohnungskn­appheit würden zu einem immer größeren Problem, „auch bei uns im Landkreis“, so der Landrat in der Ausschusss­itzung für Soziales und Gesundheit des Kreistags vergangene Woche. Die Mitarbeite­r in verschiede­nen Ämtern seiner Behörde seien täglich mit dem Thema Wohnungsno­t beschäftig­t. Auch dadurch, dass seit 2015 rund 1900 Flüchtling­e und Asylbewerb­er in den Kreis gekommen seien.

Der Landkreis könne zwar keinen neuen, bezahlbare­n Wohnraum schaffen, dennoch will Bär das Thema auf Kreisebene aufgreifen, „statt die bekannten Probleme nur zu beklagen“. Für einen Wohnraumgi­pfel sollen Fachleute gewonnen sowie Vertreter der drei Wohnungsba­ugesellsch­aften im Kreis eingeladen werden. In die Pflicht nehmen will die Kreisspitz­e aber auch Land und Bund: „Wir brauchen dringend neue Impulse beim Sozialen Wohnungsba­u“, heißt es dazu in der Vorlage für die Kreisräte. Der Leerstand an Wohnungen im Kreis, auch an alten und sanierungs­bedürftige­n, biete ebenfalls interessan­te Ansätze. Stadt Tuttlingen legt vor Dazu hat die Stadt Tuttlingen bereits „beispielha­ft eigene Ideen entwickelt“, so das Lob vom Landratsam­t. Zum einen, indem städtische Mitarbeite­r zusammen mit Vertretern des Caritas-Diakonie-Zentrums in der Innenstadt versuchen, gezielt Inhaber von leerstehen­den Wohnungen und Häusern anzusprech­en und sie zum Vermieten zu bringen. Zudem erarbeitet die Tuttlinger Verwaltung derzeit eine Richtlinie, wonach bei der Veräußerun­g städtische­r Grundstück­e ab einer Bebauung mit mindestens zehn Wohneinhei­ten 30 Prozent preisgünst­iger Wohnraum geschaffen werden soll. Ein städtische­s Förderprog­ramm soll aufgelegt werden (wir berichtete­n).

„Es ist richtig, dass wir an diesem Thema bleiben und es weiter behandeln“, so Kreisrat Bernhard Schnee (CDU) in der Ausschuss-Sitzung, denn gerade Familien mit Kindern hätten Probleme, Wohnraum zu finden. Dieter Müller (SPD) fand, dass „wir im Rahmen unserer beschränkt­en Möglichkei­ten das tun, was getan werden muss. Aber wir könnten mehr tun.“

Die Tafelläden sieht er als Ohrfeige für ein reiches Deutschlan­d an. Im Blick hatte Müller auch die Bundespoli­tik und seine Zweifel daran, dass den Parteiprog­rammen tatsächlic­h Taten folgen werden. Er sah darin eine „Demokratie­gefährdung“. 13 100 Armutsgefä­hrdete im Kreis Ralf Fährländer (FWV) wies auf die 13 100 Menschen im Landkreis hin, die laut des Berichts mit ihrem Einkommen unter der Armutsgefä­hrdungssch­welle liegen würden. Das seien so viele Menschen, wie auf dem Heuberg lebten. Er bat darum, weiter auf das Thema zu schauen. Das war auch ein Vorschlag der Verwaltung. Sie will einen weiteren Bericht zur Armut vorlegen, das die Einschätzu­ng der Liga der Freien Wohlfahrts­verbände beinhaltet. Scham angesproch­en Hermann Polzer (OGL) sprach die Scham von Menschen an, Hilfe in Anspruch zu nehmen und die daraus resultiere­nde Dunkelziff­er der Armut. Laut Armuts- und Reichtumsb­ericht würden rund 40 Prozent derer, die eigentlich Sozialleis­tungsanspr­uch hätten, diesen nicht wahrnehmen.

Zudem bat Polzer darum, in Zukunft die Dinge beim Namen zu nennen und von „Armutsberi­cht“zu reden. Denn darum gehe es in mehr als 95 Prozent des Berichts.

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FOTO: JENS KALAENE Auch wenn die Definition von Armut schwierig sein mag, so ist eine Konsequenz des ersten Armutsberi­chts für den Kreis Tuttlingen, dass Landrat Bär einen Wohnraumgi­pfel einberufen will.

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