Endspurt um EM 2024
Lahm und Grindel heute als Fußball-Diplomaten gefordert
NYON (dpa) - Mit herrlichem Blick auf den Genfer See und die Alpen steht Philipp Lahm vor seinem bislang wichtigsten Auftritt als prominenter Wahlkampf-Helfer der deutschen EM-Bewerbung. In der UEFAZentrale überreicht der Weltmeister-Kapitän und Ehrenspielführer mit DFB-Präsident Reinhard Grindel heutige die Kandidatenmappe für die EM 2024. Die Aufgabe auf sportpolitischem Parkett ist für den als Frontmann vom DFB engagierten Lahm kniffliger als sie scheint.
Bis zur Abstimmung der 18 wahlberechtigten UEFA-Funktionäre am 27. September muss sich der deutsche Fußball als potenter Kandidat beweisen, ohne auch nur eine Spur von Selbstgefälligkeit des großen Favoriten zu zeigen. Sonst droht dem großen DFB das Schicksal der zuletzt reihenweise gescheiterten deutschen Olympiaprojekte.
Der einzige Mitbewerber Türkei ist mehr als ein Zählkandidat, der gerade bei osteuropäischen Wahlmännern im UEFA-Exko Sympathien genießt. Auf die offensichtlichen Schwachpunkte des Konkurrenten – wie fehlende Presse- und Meinungsfreiheit oder eine prekäre Sicherheitslage – darf der DFB laut UEFAStatuten im Wahlkampf nicht hinweisen. Entsprechend diplomatisch äußert sich Grindel. „Die Türkei ist ein in jeder Hinsicht ernstzunehmender Mitbewerber. Das Rennen ist völlig offen.“
Die politischen Botschaften, die Deutschland zu einem moralisch überlegenen Kandidaten machen, müssen verklausuliert transportiert werden: „Unser Land steht im Herzen Europas für die Werte, für die auch der Fußball eintritt: Fair Play, Respekt und Toleranz“, sagte der frühere CDU-Politiker: „Wir wollen zeigen, dass Deutschland der richtige Partner zur richtigen Zeit ist.“
Dabei gilt es für Grindel und Lahm auch, die Schatten der eigenen Vergangenheit zu vertreiben. Der weiter nicht restlos aufgeklärte Skandal um die Vergabe der WM 2006 darf keinen negativen Effekt haben. Für Grindel ist klar: „Die WM 2006 ist für viele im internationalen Fußball bis heute absolut positiv besetzt und ein unvergessliches Erlebnis. Meine Kollegen im UEFA-Exko wissen, dass der neue DFB für Good Governance und Compliance steht.“
Lahm ist als WM-Spieler 2006 ein unbelastetes Gesicht des Sommermärchens. „Ich bin sicher, dass auch die EURO 2024 ein Ereignis werden kann, das die Menschen in Deutschland und Europa begeistert und zusammenbringt“, sagte er. Nicht auszuschließen ist zudem, dass Lahm bei einem Zuschlag eine führende Rolle bei der Organisation übernehmen könnte – wie einst Franz Beckenbauer bei der WM 2006, wenn auch mit etwas anderen Vorzeichen.