„Ungerecht den Jüngeren gegenüber“
BERLIN - Bernd Raffelhüschen, Direktor des Forschungszentrums Generationenverträge an der Uni Freiburg, fordert im Gespräch mit Tobias Schmidt eine Anhebung des Renteneintrittsalters. Sind die Berechnungen des MaxPlanck-Instituts realistisch? Ja, wir sind zu einer vergleichbaren Finanzierungslücke gekommen. Wenn die Große Koalition Beiträge und Rentenniveau halten will, würde das Hunderte von Milliarden Euro kosten. Das Nachhaltigkeitsgesetz aus dem Jahr 2003 müsste dafür gekippt werden. Dies legt fest, dass das Rentenniveau sinkt, wenn weniger Beitragszahler mehr Rentner finanzieren müssen. Das ist auch höchst sinnvoll. Es sind schließlich die Rentner, die weniger Beitragszahler in die Welt gesetzt haben. Hier gilt also das Verursacherprinzip. Das ist gerecht und daran sollte die Bundesregierung nicht rütteln. Die Altersbezüge würden sinken. Halten wir die Beitragssätze stabil, würde das Rentenniveau bis 2040 auf 38 bis 40 Prozent sinken. Derzeit sind es 48 Prozent. Dieses Niveau ohne höhere Beiträge zu halten, wäre die Quadratur des Kreises. Möglich ist dies nur durch den Zuschuss von Hunderten von Milliarden Euro an Steuergeld. Das ist schier unbezahlbar und grob ungerecht gegenüber den jüngeren Generationen. Sind stabile Renten ohne längere Lebensarbeitszeit unmöglich? Ja. Jede Generation lebt vier bis fünf Jahre länger als diejenige, von der sie gemacht worden ist. Die Vernunft sagt: Nicht jeden Tag, den man länger lebt, kann man auch länger Rente beziehen. Schon mit der Einführung der Rente mit 63 Jahren hat die Vorgängerregierung zu Lasten der jüngeren Beitragszahler Schindluder getrieben. Wenn wir künftig nicht länger arbeiten, wird das Rentensystem nicht stabil bleiben können. Die Absage von Arbeitsminister Hubertus Heil an eine Anhebung des Renteneintrittsalters zeigt, dass er noch immer die Augen vor der demografischen Entwicklung verschließt. Diese lässt sich nicht mehr beeinflussen. Die Schröder-Regierung hatte das Problem erkannt und den Nachhaltigkeitsfaktor eingebaut. Die jetzige SPD riskiert ohne Not verheerende Rückschritte. Was muss sich ändern? Wir müssen das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung koppeln. Die Experten sind sich einig, dass wir das skandinavische Modell übernehmen müssen. Dort arbeitet länger, wer länger lebt – das wird gesellschaftlich völlig akzeptiert. Es waren Sozialdemokraten, die in Schweden und Norwegen diese sinnvollen und unabdingbaren Reformen umgesetzt haben. Hier steuert die SPD in die entgegengesetzte Richtung. Das ist verantwortungslos.