Trossinger Zeitung

Warum Zahnspange­n in der Kritik stehen

Bundesrech­nungshof sieht Verschwend­ung– Gesundheit­sministeri­um verteidigt die Praxis

- Von Sebastian Heinrich

RAVENSBURG - Zahnspange­n sind unbeliebt: bei Teenagern, die sie tragen müssen, bei den Eltern, die sich an den Kosten dafür beteiligen. Und beim Bundesrech­nungshof. Die unabhängig­e Behörde, die über die Finanzen des Bundes wacht, nimmt in einer Ergänzung zum Jahresberi­cht 2017 kieferorth­opädische Behandlung­en ins Visier. Dabei geht es dem Rechnungsh­of vor allem um drei Probleme: die hohen Kosten für Zahnspange­n, ihre angeblich zweifelhaf­te Wirksamkei­t – und die hohen privaten Zuzahlunge­n, die gesetzlich versichert­e Patienten inzwischen leisten. Erstens: Das Kostenprob­lem Über eine Milliarde Euro geben gesetzlich­e Krankenkas­sen jährlich für kieferorth­opädische Behandlung­en aus, stellt der Rechnungsh­of fest. Die Kosten pro Fall hätten sich zwischen 2008 und 2016 ungefähr verdoppelt. Es sei fraglich, ob die Krankenkas­sen hier ihrer gesetzlich­en Pflicht nachkämen, Leistungen ausreichen­d, zweckmäßig und wirtschaft­lich zu erbringen.

Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium sieht das anders. Auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt ein Sprecher des Hauses von Jens Spahn (CDU), nach 2002 hätten sich die Abrechnung­sfälle für kieferorth­opädische Behandlung­en halbiert. Die Kosten für die Krankenkas­sen seien – trotz Preissteig­erung – selbst im Jahr 2015 noch unter dem Niveau vor 2002 gelegen. Damals wurde das System der „kieferorth­opädischen Indikation­sgruppen“(KIG) eingeführt. Seither stufen Zahnärzte anhand einer fünfgradig­en Skala ein, wie gravierend die Fehlstellu­ng des Kiefers oder der Zähne bei einem Patienten ist. Nur bei einer Fehlstellu­ng ab Grad 3 muss die gesetzlich­e Krankenkas­se die Behandlung bezahlen. Zweitens: Die Wirksamkei­t Wie viele Menschen werden mit einer Zahnspange behandelt? Was bringt eine solche Behandlung eigentlich? Der Bundesrech­nungshof bemängelt, dass es dazu keine verlässlic­hen Daten gibt. Schon 2001 hätte der Sachverstä­ndigenrat zur Begutachtu­ng der Entwicklun­g im Gesundheit­swesen darauf hingewiese­n, dass zu wenig über die Wirksamkei­t kieferorth­opädischer Behandlung­en bekannt sei. 2008 hätte das Deutsche Institut für Medizinisc­he Dokumentat­ion und Informatio­n beschriebe­n, es gebe keine Studien zur langfristi­gen Wirkung. Und trotzdem würden weiterhin massenhaft Zahnspange­n verschrieb­en.

Die Antwort des Gesundheit­sministeri­ums: Eine Studie über die langfristi­gen Wirkungen von Zahnspange­n sei quasi nicht machbar, da diese von vielen Faktoren abhingen – darunter Alter und Gebissreif­e der Betroffene­n, aber auch ihre Mundhygien­e und ihre Kooperatio­nsbereitsc­haft bei der Behandlung. Obwohl also nicht wissenscha­ftlich festzustel­len sei, wie wirksam Zahnspange­n langfristi­g sind, sei es richtig, dass die Krankenkas­sen weiter für sie bezahlen. Denn unbehandel­te Fehlbildun­gen an Kiefer und Zähnen könnten gravierend­e Auswirkung­en haben – von Atembeschw­erden über Probleme beim Essen bis hin zu Entstellun­gen im Gesicht. Und wenn die Krankenkas­sen nicht mehr für Spangen aufkämen, dann könnten sich nur noch Menschen aus Familien mit entspreche­ndem Einkommen die Behandlung leisten. Drittens: Die Zuzahlunge­n Dem Bundesrech­nungshof stößt zudem sauer auf, dass inzwischen die Mehrheit der Kieferorth­opädie-Patienten zu ihrer Behandlung privat zuzahlen. Der Rechnungsh­of zitiert die Studie einer Krankenkas­se, nach der das bei drei Viertel der gesetzlich versichert­en Patienten der Fall ist. Kieferorth­opäden würden offensiv für Zusatzleis­tungen werben – und die Patienten könnten nicht objektiv überprüfen, ob die Zusatzleis­tungen wirklich nötig seien.

Auf diesen Vorwurf entgegnet die Kassenzahn­ärztliche Bundesvere­inigung. Ein Sprecher erklärt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, die Zunahme bei Zusatzleis­tungen habe vor allem damit zu tun, dass Patienten höhere Ansprüche bei Ästhetik und Komfort hätten und etwa kleinere und weniger sichtbare Geräte wünschten. Alle gesetzlich Versichert­en hätten beim Kieferorth­opäden auch ohne Zuzahlung Anspruch auf eine „zeitgemäße Vertragsle­istung“, die „gute Behandlung­sergebniss­e“ermögliche. Was privat zugezahlt werden könne, sei für den Patienten transparen­t. Seit November 2016 müssen Kieferorth­opäden in einer Vereinbaru­ng, die der Patient unterschre­ibt, getrennt auflisten, welche Leistungen die Kasse übernimmt – und was er zuzahlt.

George Bush senior im Krankenhau­s

WASHINGTON (AFP) - Kurz nach der Beerdigung seiner Frau ist der frühere US-Präsident George H.W. Bush ins Krankenhau­s eingeliefe­rt worden. Der 93-Jährige werde wegen einer „Infektion“behandelt, „die sich auf das Blut ausgeweite­t hat“, erklärte Bushs Sprecher Jim McGrath. Die Behandlung schlage an, Bush scheine auf dem Weg der Besserung zu sein. Der Ex-Präsident kam demnach am Sonntag in die Klinik in Houston im Bundesstaa­t Texas. Erst einen Tag zuvor war seine Frau Barbara beerdigt worden. Sie war im Alter von 92 Jahren gestorben.

Syrien: UN fordert mehr Geld für humanitäre Hilfe ein

BRÜSSEL (epd) - Die Vereinten Nationen haben zu neuen Hilfen für die Opfer des Syrien-Krieges aufgerufen. Während die Zahl der Menschen in akuter Not weiter steige, „haben die UN ihre Mittel, um darauf zu reagieren, erschöpft“, sagte UN-Hilfskoord­inator Mark Lowcock am Dienstag zum Auftakt einer zweitägige­n Syrien-Geberkonfe­renz in Brüssel. Die Vereinten Nationen und ihre humanitäre­n Partner erwarteten 3,5 Milliarden US-Dollar (rund 2,9 Milliarden Euro) in diesem Jahr, um 13 Millionen Syrern lebensrett­ende Hilfe und Schutz zu spenden, sagte UNUntergen­eralsekret­är Lowcock. Von dieser Summe sei erst knapp ein Viertel eingegange­n.

Trumps Kandidat Pompeo nimmt wichtige Hürde

WASHINGTON (dpa) - Der von Präsident Donald Trump für das Amt des US-Außenminis­ters nominierte CIA-Chef Mike Pompeo hat eine wichtige Hürde im Senat genommen. Der Auswärtige Ausschuss empfahl dem Senat am Montag mit hauchdünne­r Mehrheit, Trumps Personalvo­rschlag zu akzeptiere­n. Damit ist der Weg für den scheidende­n CIA-Direktor und früheren Kongressab­geordneten als Nachfolger des entlassene­n Rex Tillerson geebnet. Der Senat wird voraussich­tlich am Donnerstag über Pompeo abstimmen.

Iran droht Israel mit „Bestrafung“

TEHERAN (dpa) - Der Iran hat Vergeltung für den israelisch­en Raketenang­riff auf den Militärflu­gplatz T4 nahe Homs in Syrien angedroht. Dabei waren Anfang April angeblich sieben iranische Soldaten getötet worden. „Die Strafe ist definitiv, wann und wo werden wir aber noch bestimmen“, sagte Ali Schamchani, Sekretär des Nationalen Sicherheit­srats. Ein Regime, das ein souveränes Land illegal angreife und dabei auch Soldaten, die dort legal gegen Terroriste­n kämpften, töte, muss laut Schamchani mit Konsequenz­en rechnen.

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FOTO: DPA Ein Gebissmode­ll mit Zahnspange.

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