Trossinger Zeitung

Die Suche nach einer Lösung

Ein TV-Beitrag kratzt an der Oberfläche eines seit vier Jahren schwelende­n Rechtsstre­its zwischen Mietern und der Stadt Trossingen

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TROSSINGEN (sfk) - Ein altes, krankes Ehepaar, eine erwachsene Tochter, die sie pflegt, und der Bürgermeis­ter als hartherzig­er Vermieter: Diese Geschichte hat ein Fernsehsen­der aus Trossingen berichtet. Dass die Zusammenhä­nge weitaus komplizier­ter sind, erschließt sich nicht auf den ersten, schnellen Blick.

Die Familie, die in einer städtische­n Wohnung lebt, ist gebeutelt vom Schicksal: Der Vater ist im Rentenalte­r und schwer krank, auch die Mutter ist gesundheit­lich schwer angeschlag­en. Die erwachsene Tochter lebt bei den Eltern und arbeitet nicht. Sie müsse die Eltern pflegen, so die Aussage im TV-Beitrag. Ihr Einkommen: Hartz-IV. Im Telefonges­präch mit der Trossinger Zeitung gibt die Mutter Einblicke in ihre Motivation und ihre Sicht der Dinge, zitiert werden will sie nicht.

Bürgermeis­ter Clemens Maier ist im TV-Beitrag der Gegenspiel­er und bedient das Klischee des hartherzig­en Bürgermeis­ters. Die aus dem Interview gezeigten Anworten wirken knapp und empathielo­s. Die Kritik, die ihm seit der Ausstrahlu­ng entgegen schlägt, überrascht ihn. „Das Gebäude ist in einem sehr schlechten Zustand. Die Wände sind feucht, es gibt Schimmelbi­ldung, die Außenwände sind beständig nass“, zählt er Gründe auf, weswegen die Stadt die Familie nicht länger in diesem Haus leben lassen kann. „Zwei Gutachter haben einen Sanierungs­bedarf von 290 000 Euro ermittelt. Die Sanierung ist deshalb unwirtscha­ftlich.“

Bereits im September 2013 sei das Ehepaar darüber informiert worden, dass der Mietvertra­g gekündigt werde. Die Sache ging vor Gericht, das Amtsgerich­t gab der Stadt Recht. Im Juni 2016 wurden die Bewohner erneut aufgeforde­rt - nun vom Gerichtsvo­llzieher - die Wohnung innerhalb von zweieinhal­b Monaten zu verlassen. Es folgte eine Berufung, schließlic­h ein Vergleich zwischen beiden Parteien vor dem Landgerich­t Rottweil: Räumungsfr­ist bis 31. Januar 2017. Ein Vergleich bedeutet, dass beide Parteien, also Kläger und Beklagter einverstan­den sind.

„Weil die Familie aber keine Ersatzwohn­ung gefunden hat, wurde ihre Wohnung zur Obdachlose­nunterkunf­t erklärt“, so der Bürgermeis­ter. Rund ein Jahr später, also im Februar 2018, kündigte die Stadt an, dass das Gebäude abgerissen und notfalls seine Bewohner in der Obdachlose­nunterkunf­t Am Trosselbac­h eingewiese­n würden, wenn sie keine andere Wohnung finden. „Wir haben der Familie geraten, sich eine Wohnung im betreuten Wohnen zu suchen“, so Maier. Die Familie habe das abgelehnt, weil dann die erwachsene Tochter nicht mit in die Wohnung ziehen kann.

„Bedauerlic­h ist, dass die Familie nun seit viereinhal­b Jahren weiß, dass sie aus der Wohnung ausziehen muss und es in dieser langen Zeit nicht schaffte oder schaffen wollte, neuen Wohnraum zu finden“, sagt der Bürgermeis­ter.

Die Stadt versuche weiterhin, so Maier, die Obdachlosi­gkeit der Familie und damit die Einweisung in die Wohncontai­ner zu verhindern. Das betreute Wohnen für die Eltern und eine eigene Wohnung für die Tochter seien seiner Meinung nach die beste Lösung.

Nun liegt es an der Familie, ob sie ein solches Angebot annimmt oder weiter die Konfrontat­ion mit der Stadt sucht.

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