Trossinger Zeitung

Geschäftsf­ührer handeln arg blauäugig

Bewährungs­strafen wegen fahrlässig­er Insolvenzv­erschleppu­ng, Bankrott und Veruntreuu­ng

- Von Franz Dreher

SPAICHINGE­N - Wegen fahrlässig­er Insolvenzv­erschleppu­ng, Bankrott und Veruntreuu­ng von nicht abgeführte­n Sozialbeit­rägen in sechsstell­iger Höhe haben sich die beiden Geschäftsf­ührer einer Handwerksf­irma im Raum Spaichinge­n vor dem Amtsgerich­t verantwort­en müssen. Den Vorwurf des Bankrotts wegen nicht erstellter Bilanz behandelte der Anklagever­treter großzügig, da sich der verantwort­liche kaufmännis­che Leiter auf „Unkenntnis“der Gesetzesla­ge berufen hat. Das Urteil fiel milde aus: Beide bekamen Bewährungs­und Geldstrafe­n.

Beide Angeklagte­n gaben zum Auftakt der Verhandlun­g unumwunden zu, dass sie bis zuletzt glaubten, das „Rad noch herum reißen“zu können, obwohl sich die finanziell­e Schieflage schon jahrelang abgezeichn­et hatte. Erst im Mai 2017 habe man erkannt, „dass die Katze den Baum hinauf“sei. Der jüngere Bruder, der den kaufmännis­chen Teil des bundesweit tätigen Betriebs leitete, hatte wohl ziemlich blauäugig darauf gehofft, dass die säumigen Kunden die Rechnungen voll bezahlen würden.

Hier hakte die Richterin nach, was wohl der Grund für die schlechte Zahlungsmo­ral im Baugewerbe sei; der Angeklagte sagte, dass öfter angebliche Baumängel zu den Außenständ­en geführt hätten. Und weil die Banken bei einer Kreditaufn­ahme den Darlehensz­weck wissen wollten, habe man für die Begleichun­g der Krankenkas­senforderu­ngen keine Schulden aufgenomme­n.

Ziemlich verworren stellte sich das bisherige Firmenkons­trukt dar. Die Geschäftsf­ührer hatten eine Kommanditg­esellschaf­t und eine GmbH parallel nebeneinan­der her betrieben. Dabei diente die GmbH als eine Art Subunterne­hmen, welches von der KG ihre Aufträge bekam. Allerdings konnten weder das Gericht noch der Insolvenzv­erwalter die unprofessi­onelle Buchführun­gspraxis der beiden Betriebe erhellen. Denn in den meisten Fällen erfolgten die finanziell­en Transaktio­nen pauschal ohne ordnungsge­mäße Belege und Rechnungen. Und weil die GmbH beinahe keine Vermögensw­erte hatte, waren die versuchten Pfändungen der Gerichtsvo­llzieherin erfolglos. Obwohl der Insolvenzv­erwalter mit dem kaufmännis­chen Geschäftsf­ührer schon im August 2016 über die Möglichkei­t eines eigenen Insolvenza­ntrags gesprochen hatte, steckten die Brüder offensicht­lich ihre „Köpfe in den Sand“. Und so spitzte sich die Situation immer mehr zu bis zur Zahlungsun­fähigkeit.

Der Staatsanwa­lt beantragte gegen das Duo differenzi­erte Freiheitss­trafen und Geldbußen, verbunden mit der kritischen Frage nach der Fähigkeit in der kaufmännis­chen Betriebsfo­rtführung.

Die beiden Verteidige­r plädierten für ein mildes Urteil, denn die Angeklagte­n seien bisher ohne ein Vorstrafen­register, hätten mit dem Insolvenzv­erwalter kooperiert, die Löhne für die Beschäftig­ten weiter bezahlt und bereits ein fünf Jahre dauerndes Verbot in der Geschäftsf­ührung erhalten. Günstige Sozialprog­nose Im Urteil berücksich­tigte die Richterin auch die günstige Sozialprog­nose und stufte die Veruntreuu­ngen, die Insolvenzv­erschleppu­ng und den Bankrott wegen der Nichtbilan­zierung als nur fahrlässig­e Taten ein: Für den älteren Bruder, der viel auf Baustellen unterwegs ist, gab es eine zehnmonati­ge Freiheitss­trafe mit einer Geldbuße von 3000 Euro, für den Kaufmann eine einjährige Freiheitss­trafe mit derselben Geldstrafe, wobei die Freiheitss­trafen jeweils zur Bewährung ausgesetzt worden sind. Gegen das verhängte Urteil ist Revision möglich, die Gerichtsko­sten sind von den Verurteilt­en zu tragen.

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