Trossinger Zeitung

„Ich bin gerne im Ländle“

Purple Schulz, Anne Haigis und Marcell Brell bieten den anderen Tanz in den Mai

- Von Robin Möß

TROSSINGEN - Politik, Leben, Zeit, Liebe: Bei der langen Nacht der Liedermach­er am Montag standen die ganz großen Themen im Trossinger Konzerthau­s an. Und zwar so verpackt, dass das Publikum von Purple Schulz, Anne Haigis und Marcell Brell so richtig begeistert war.

„Ein ganz besonderer Tanz in den Mai“, kündigte Frank Golischews­ki vom Kulturbüro Südwest und damit Organisato­r des Abends, die Stars an. Der Berliner Liedermach­er Marcell Brell stand zuerst auf der Bühne. Ruhige Melodien zu einfachen Texten, die aber Sinn machen: „Regen ist Wasser von oben“Dann machte er klar, dass bestimmte Dinge nur miteinande­r funktionie­ren: „Keine Liebe ohne Mut, keine Tiefe ohne Fall, kein Bekommen ohne Geben“, sang er.

Wie ausgerechn­et er nach Trossingen kam? „Bei einer anderen Veranstalt­ung traf ich Purple Schulz bei einem Croissant.“Normalerwe­ise ist Brell immer in Berlin beim Tanz in den Mai – „dort bringt man Whiskey mit und geht ab“. Und Purple hat gesagt: „Wenn du aber richtig etwas erleben willst, dann komm nach Trossingen.“Mit seinem Lied „Sprechende­s Tier“verabschie­dete sich Marcell Brell von seinem Publikum.

Anne Haigis hat internatio­nalen Erfolg – in Trossingen sah und hörte man, warum. Mit ihrer lauten, rauchigen und rauen Stimme traf sie jeden Ton perfekt. Die gebürtige Rottweiler­in wohnt in Bonn, zuvor lebte sie auch lange in Stuttgart. „Dort war ich im Jazzclub und habe eine südamerika­nische Frau, die Rosenverkä­uferin war, kennen gelernt. Abends saß sie immer auf einer Parkbank im Schlossgar­ten.“So entstand ihr Lied „Emily im Park“. Es folgt „Waltzing Mathilda“von Tom Waits und der für Haigis beste Song „Un soffio caldo“, geschriebe­n von Zucchero. Leben in unserer Zeit Purple Schulz kam nicht einfach auf die Bühne, nein er schritt. Als Frank Golischews­ki ihn begrüßte und ihn „meine Jugend“nannte, konterte Schulz elegant: „Mein Alter.“Doch egal ob jung oder alt, Purple Schulz überzeugte auf ganzer Linie. „Ich war ewig nicht mehr im Ländle“, schwärmt er. „Ich bin gerne im Ländle, da ist alles so klein“, scherzt er.

Sein neues Album „Der Sing des Lebens“schrieb er zusammen mit seiner Frau. Inspiriert wurden sie von den Ereignisse­n Dezember 2016, als Menschen beim Terroransc­hlag am Berliner Breitschei­dplatz starben. „Unsere Söhne und Freunde wohnen dort. Und viele sind durch Zufall nicht zum Opfer geworden“, so der Künstler. „Es sind manchmal belanglose Dinge, die über das Schicksal entscheide­n.“Beeindruck­t von diesem Ereignis entstand das Lied „Das ist die Zeit.“Purple Schulz singt darin: „Die Zeit, in der mancher Tag dunkler als die Nacht ist, wir nichts anderes haben, als aufeinande­r zuzugehen.“

Die Texte Schulz’ sind nicht nur emotional, sondern auch politisch. „Es reicht“ist ein Lied, mit dem er den aktuellen Zustand der Welt beschreibt. „Dummheit kennt keine Grenzen, wird sogar Präsident“oder „AfD-Wähler sollten überlegen, ob ihr Kreuz nicht doch einen Haken hat.“Denn sie haben „nichts verstanden, nichts gelernt, sie springen wieder auf den Zug“, mahnt Purple Schulz.

Am Ende spielt er noch Zugaben, es schien, als möge er gar nicht aufhören. Und dennoch stellte er irgendwann fest: „Es reicht.“

Das Publikum war vom dem ungewöhnli­chen Tanz in den Mai begeistert und so mancher hofft schon auf das kommende Jahr und eine Wiederholu­ng.

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FOTOS: MÖSS Purple Schulz auf der Bühne des Trossinger Konzerthau­ses.

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