Aufregung kurz vor dem Mathe-Abitur
Gymnasien bekommen Ersatzaufgaben erst am Tag der Prüfung – Beginn verzögert sich
TUTTLINGEN - Die Abiturprüfung in Mathematik hat am Mittwochmorgen später begonnen, als geplant. Das sorgte für Aufregung auch an den Tuttlinger Gymnasien. Erst eine halbe Stunde nach dem eigentlichen Start bekamen die Schüler die Aufgaben zu Gesicht. Der Grund: Die Prüfungsaufgaben waren nach einem Einbruch aus einer Schule in Niedersachsen verschwunden.
Es muss schnell gehen am Mittwochmorgen. Um 6.30 Uhr trudelt das Passwort vom Kultusministerium ein, damit sich die Ersatzaufgaben für das Mathe-Abitur als Computerdatei öffnen lassen. Zweieinhalb Stunden bleiben den verantwortlichen Fachlehrern, um die Prüfungsbögen für alle Schüler auszudrucken – pro Schule um die 1500 Blätter.
Michael Krauss, stellvertretender Schulleiter und Mathe-Lehrer am Immanuel-Kant-Gymnasium (IKG), wusste seit Montagabend von der Abi-Panne. „Das durften wir aber nicht kommunizieren“, sagt der Vize-Chef. Er ist am Feiertag, 1. Mai, in die Schule gegangen, um alles vorzubereiten: Ist genügend Toner in den Kopierern und Druckern? Reicht das Papier? Schüler kommen ahnungslos an Ohne davon etwas zu ahnen, versammeln sich die Schüler wie ursprünglich geplant am Mittwoch rechtzeitig vor 8.30 Uhr an der Schule. Erst dann werden sie über die Komplikationen informiert, die auf einen Einbruch in einer Schule in Niedersachsen zurück gehen – ein Bundesland, das sich aus dem selben Aufgabenpool wie Baden-Württemberg bedient. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Aufgaben schon vor der Prüfung bekannt geworden sind, heißt es in einer Mitteilung des Kultusministeriums in Stuttgart. Das Ergebnis: Die Matheprüfung beginnt erst um 9 Uhr, statt um 8.30 Uhr.
Hinter den Kulissen der Gymnasien laufen währenddessen die Kopierer heiß. Pro Schüler – 89 am IKG, 115 am Otto-Hahn-Gymnasium (OHG) – müssen acht Seiten gedruckt, sortiert und schließlich ausgegeben werden. Fünf Fachlehrer und Direktorin Christiane Sturm bewerkstelligen das am IKG. Krauss: „Ich bin mit jedem Schüler in der Aula jedes Blatt durchgegangen.“Nicht auszudenken, wenn die Prüfungsunterlagen durcheinander geraten wären.
Die Arbeitsblätter seien beim Austeilen noch warm gewesen, erzählen Schüler am Nachmittag. Trotz der Überraschung nehmen die meisten die Verspätung gelassen. „Das war schon erst mal unerwartet, aber es hat sich nicht auf meine Leistung ausgewirkt“, berichtet etwa IKG-Schülerin Karina Kaiser. Eine halbe Stunde sei besser, als ein paar Tage oder Wochen zu verschieben, sagt Otto Wilhelm Hermann, ebenfalls vom IKG. „Lieber erfährt man das vor dem Abi als dass man dann an einem anderen Tag nachschreiben muss“, sagt der 19-Jährige.
Michael Krauss ist seit 24 Jahren im Schuldienst. So eine Abitur-Prüfung hat er noch nie erlebt, wie er sagt. Die Fachlehrer mussten nicht nur ausdrucken und kopieren, sondern die Aufgaben wie jedes Jahr vor Prüfungsbeginn durchrechnen. „Das war schon spannend, macht aber keinen Spaß“, lautet sein Resümee. Positiv findet er, dass der Notfallplan gut funktioniert habe, sodass die Klausur nicht auf einen anderen Tag verlegt werden musste. „Halbe Stunde hat uns gut getan“Dieselbe Aufregung herrscht auch am Otto-Hahn-Gymnasium. „Es war sportlich, aber es hat ganz gut gereicht“, sagt Schulleiter Georg Schwarz. „Wir hätten die Prüfung auch um 8.30 Uhr beginnen können, aber die halbe Stunde hat uns schon gut getan.“
Die Schüler seien ganz normal zum Prüfungstermin in die Schule gekommen. Dann sei ihnen mitgeteilt worden, dass sich die Prüfung um eine halbe Stunde verschiebt. „Klar ist das ein bisschen blöd, wenn man sich auf eine Prüfung vorbereitet, aber ich denke es war in Ordnung und niemand wurde aus dem Konzept gebracht“, so Schwarz. Einige Schüler seien erst mal an die frische Luft gegangen und hätte sich ein bisschen bewegt. Der Vorfall sei zwar ärgerlich, sagt der Direktor, aber ein solches Risiko gebe es eben immer. „Als wir noch das baden-württembergische Zentralabitur hatten, hätte so etwas auch an einer Schule in Lörrach oder Heidenheim passieren können“, sagt er. Nur durch die größere Zahl an Bundesländern, die auf den gleichen Aufgabenpool zurückgreift, sei die Wahrscheinlichkeit höher geworden, dass etwas schief geht – und damit auch die Zahl betroffener Schulen. „Das ist die unschöne Konsequenz, die viel Geld kostet“, sagt Schwarz.
Die Original-Abituraufgaben, die jedes Gymnasium im Tresor hatte, müssen übrigens als ungültig gekennzeichnet werden, dürfen aber nicht eingesehen werden, erklärt Krauss.
Unabhängig von der Aufregung stöhnen etliche der Abiturienten darüber, wie schwer die Mathe-Aufgaben in diesem Jahr gewesen seien. Aber das liegt wohl immer im Auge des Betrachters.