Donau-Doc-Strategie kommt auf den Prüfstand
Ausschuss berät über den Ärztemangel in der Stadt Tuttlingen
TUTTLINGEN - Im Landkreis Tuttlingen gibt es zu wenig Ärzte. 16,5 Stellen für Allgemeinmediziner sind derzeit unbesetzt, laut der Tuttlinger Stadtverwaltung könnten noch in diesem Jahr elf weitere Ärzte aus Altersgründen ihre Tätigkeit einstellen. Bereits seit fünf Jahren versucht die Stadt dem Ärztemangel mit der Initiative Donau-Doc entgegen zu wirken – mit ersten Erfolgen. Doch um den Trend langfristig zu stoppen, reicht das noch nicht. Deshalb wollen die Verantwortlichen jetzt in einem Workshop ihre bisherige Strategie überdenken.
Es ist bereits einiges passiert, seit die Donau-Doc-Ärzte 2013 ihre Arbeit aufgenommen haben. Insgesamt acht neue Mediziner haben sich seither in Tuttlingen niedergelassen. Dahinter steckt zum einen die Netzwerkarbeit der mittlerweile zehn ehrenamtlichen Donau-DocÄrzte.
Zum anderen aber auch finanzielle Anreize. Ein Arzt, der sich verpflichtet mindestens für fünf Jahre in Tuttlingen zu bleiben, erhält eine monatliche Prämie von 400 Euro. Die Nachfrage nach dem Programm sei so groß gewesen, dass die Förde- rung mittlerweile auf Allgemeinmediziner beschränkt worden sei, berichtet Maria-Tiziana Ferrante, die sich für die Stadtverwaltung um die Koordinierung der Donau-Docs kümmert – eine 50-Prozent-Stelle, die eigens für die Initiative geschaffen worden ist. Zudem bezuschusste die Stadt bereits die Zulassung von zwei Ärzten aus dem Ausland.
Eine eigentlich positive Entwicklung. Doch zufrieden sind die Verantwortlichen noch nicht. „Es hat sich nicht der Erfolg eingestellt, den wir uns wünschen“, sagte etwa Oberbürgermeister Michael Beck bei der Sitzung des Verwaltungsund Finanzausschusses am Montag. Konkurrenz zu anderen Regionen Der Grund: Die Zahlen sind besorgniserregend. Allein bis zum Ende diesen Jahres rechnet die Verwaltung damit, dass elf Ärzte im Landkreis in den Ruhestand gehen – mindestens zwei davon in der Stadt Tuttlingen. Doch schon jetzt fehlen 16,5 Allgemeinmediziner. Außerdem sind 0,5 sogenannte Versorgungsaufträge für Hautärzte offen. Gleichzeitig werde der Bedarf in einer älter werdenden Gesellschaft immer größer. Das Problem: Der Landkreis Tuttlingen konkurriert unter ande- rem mit der attraktiven Bodenseeregion oder der Schweiz, wenn es um den Arbeitsplatz von Ärzten geht. Deswegen versucht die Donau-DocInitiative Ärzten schon möglichst früh Tuttlingen schmackhaft zu machen. Medizinstudierende, die in Tuttlingen das Abitur abgelegt haben, können über ein Bücherstipendium Fachliteratur abrechnen. Studierende aus anderen Regionen, die etwa ihr Praktikum, genannt Famulatur, bei einem niedergelassenen Arzt in Tuttlingen oder im Klinikum Landkreis Tuttlingen absolvieren, erhalten durch Donau-Docs eine Förderung von 300 Euro. 13 Studierende haben dieses Angebot bereits in Anspruch genommen.
Darüber hinaus veranstaltet Donau-Docs in Zusammenarbeit mit lokalen Unternehmen Weiterbildungen für Studierende und Ärzte. All das mit dem Ziel, ein Netzwerk aus Medizinern aufzubauen. Dennoch sind das Maßnahmen, die nur auf lange Sicht funktionieren können – ein Medizinstudium kann zwölf Jahre und mehr dauern. „Den Stein der Weisen gibt es nicht, aber wir müssen experimentieren“, sagte Tuttlingens Erster Bürgermeister Emil Buschle. „Wenn sie so ein Projekt angehen, dürfen sie nicht davon ausgehen, dass das nach zwei Jahren bereits Früchte trägt.“
Neben finanziellen Anreizen müssten auch die richtigen Rahmenbedingungen für Ärzte geschaffen werden. Immer mehr Frauen würden Medizin studieren, für die auch Familienplanung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine entscheidende Rolle spielen. Deswegen gehe es auch um bezahlbaren Wohnraum, Kindertagesplätze oder Teilzeitmodelle in Arztpraxen. „Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, wie wir uns als Stadt darstellen“, sagte Buschle. Beratungen über neue Strategie Wie genau das gelingen kann, soll jetzt ein Workshop mit den Verantwortlichen aus der Verwaltung, dem Vorstand der Kreisärzteschaft sowie den Donau-Doc-Ärzten klären. Sie sollen die bisherigen Ergebnisse auswerten und eine Strategie für die Zukunft entwickeln, um das Ruder im Ärztemangel noch herumzureißen. Kostenpunkt: 5000 Euro.
Der Verwaltungs- und Finanzausschuss stimmte diesem Vorhaben am Montag einstimmig zu. Denkbar sei eine neue Ausrichtung der Förderziele der Donau-Docs. Etwa in Bezug auf die Schaffung neuer Praxiskonzepte mit einem neuen Ärzte- haus. Die Telemedizin könnte stärker eingebunden und die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und dem Klinikum weiter intensiviert werden.