„Deutschland wird den Anschluss verlieren“
Katja Suding kritisiert vor dem FDP-Parteitag den mangelnden Reformeifer bei der Digitalisierung
BERLIN - Vor dem FDP-Parteitag am Wochenende in Berlin hat Andreas Herholz mit Katja Suding (Foto: dpa), der stellvertretenden Bundesvorsitzenden, gesprochen.
FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki provoziert Parteichef Christian Lindner mit einem Antrag zu Russland und fordert ein Ende der Sanktionen. Droht den Liberalen in dieser Frage eine Spaltung? Wir sind uns einig, dass man Russland mit Konsequenz und neuer Dialogbereitschaft begegnen muss. Wir stehen daher zu den verhängten Sanktionen, wollen aber auch Gesprächskanäle wie ein G7+1-Format. Wolfgang Kubicki möchte nun die Sanktionen einer Überprüfung unterziehen. Das ist seine Meinung, der Bundesvorstand hat aber eine andere. Zuletzt lagen die Liberalen nur noch bei sieben Prozent. Läutet bald wieder das Totenglöckchen? Die meisten Institute sehen uns bei acht bis zehn Prozent. Die Umfragewerte sind also überaus stabil.
Hat die FDP nicht manche Wählerinnen und Wähler enttäuscht, weil sie in die Opposition gegangen ist? Natürlich gibt es Wählerinnen und Wähler, die uns gerne in der Regierung gesehen und sich gewünscht hätten, dass wir das Land modernisieren. Das ist auch unser Gestaltungsanspruch. Leider war das in der Jamaika-Konstellation schlicht und einfach nicht möglich. Wir haben immer gesagt, dass wir nur in eine Regierung gehen, wenn etwa in der Bildungsoder Steuerpolitik Trendwenden zu erreichen sind. Das war mit Bundeskanzlerin Merkel aber nicht zu machen. Für unsere konsequente Entscheidung, in die Opposition zu gehen, bekommen wir heute immer noch viel Zuspruch.
Das Motto des Parteitags lautet „Innovation Nation“. Wie soll die Erneuerung genau aussehen? Die Welt um uns herum wandelt sich rasant. Währenddessen verschläft die Große Koalition in Deutschland Zukunftsthemen wie Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Robotik oder Biotechnologie. Es werden eifrig Kommissionen einberufen, aber es wird nichts entschieden und umgesetzt. Offenbar brauchen Union und SPD erst einmal Experten, die ihnen erklären, wie Zukunft funktionieren kann. Von Reformeifer ist dagegen nichts zu spüren. Deutschland wird bei dem Tempo den Anschluss verlieren. Dabei brauchen wir ein Bildungssystem, das die Chancen der Digitalisierung wirklich nutzt und junge Menschen darauf vorbereitet. Und wir müssen mehr für Gründer tun. Unser Vorschlag lautet: digitale Freiheitszonen. Das wären dann Sonderwirtschaftsregionen, in denen Start-ups besonders günstige Bedingungen hätten. Wir wollen junge Gründer von zu viel Bürokratie befreien und steuerlich entlasten.
Was spricht gegen eine Frauenquote in der FDP? Ich bin skeptisch, ob die Quote das richtige Instrument ist. Es gibt andere Möglichkeiten, Frauen gezielt anzusprechen und zu motivieren.